1.000 Euro für jeden
Überfluss vorhanden sind, gehört auch das Geld, das mit rasender Geschwindigkeit auf den Finanzmärkten der Welt zirkuliert. Es ist überall, nur nicht in unseren Portemonnaies. Das Geld ist da, es ist nur extrem ungerecht verteilt, weil unsere Gesellschaft die Verteilung des gesellschaftlich erwirtschafteten Vermögens an eine einzige Form der Arbeit verknüpft – die klassische Produktionsarbeit, Verwaltung und Finanzierung. Die meisten Tätigkeiten, die gesellschaftlich mindestens genauso wichtig sind, werden dagegen nicht oder deutlich weniger gut honoriert, wie die Erziehungs- oder Pflegearbeit. Es ist deshalb interessant, dass sehr viele Menschen, mit denen wir beide Zufallsbegegnungen hatten, auf die Frage, was sie tun würden, wenn für ihr Überleben gesorgt wäre, erzählen, dass sie sich mehr Zeit für etwas nehmen würden, dessen Erscheinungsformen vielfältig sind: Zeit, sich um Menschen zu kümmern.
Vier Gründe zu arbeiten:
Geld, Ruhm, Sinn und Spaß
Wenn wir uns vom Zwang zur Arbeit befreien, wird eine neue Vielfalt von nebeneinander existierenden Arbeits- und Tätigkeitsformen entstehen. Schon heute gibt es eine Fülle von Arbeitsplätzen, die keinem Lohnerwerb dienen. Wir fangen hier ja keineswegs bei null an. Die durchschnittliche Lebensarbeitszeit liegt derzeit bei 37,5 Jahren – und das bei einerLebenserwartung von 82 Jahren bei Frauen und 76 Jahren bei Männern. Mehr als die Hälfte unseres Lebens gehen wir also keiner Erwerbstätigkeit nach.
Jeder Dritte in Deutschland engagiert sich in einem Ehrenamt, wie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mitteilt: Mehr als 23,4 Millionen Menschen über 14 Jahren sind ohne Bezahlung in Vereinen, Verbänden, Selbsthilfegruppen, Kirchen, Stiftungen oder Initiativen, Freiwilliger Feuerwehr und beim Katastrophenschutz tätig.
Wobei vor allem junge Leute wenig mit dem Begriff anfangen können, er ist einfach nicht sexy genug. Ihnen geht es weder um Ehre noch Amt, sondern darum, ihre Fähigkeiten sinnvoll einzubringen. Das modernere Engagement wird in »Nichtregierungsorganisationen«, kurz NGOs (Non-Governmental Organizations) geleistet, die sich als »Non-Profit-Organisationen« verstehen. In den 1980er Jahren lag die Zahl dieser Organisationen weltweit bei rund 4500; heute zählt das Forschungsinstitut »Union of International Associations« in Brüssel 7728 NGOs. In den Niederlanden sind bereits 12,6 Prozent aller Vollzeitstellen im Non-Profit-Sektor angesiedelt. In Deutschland liegen wir bei 4,9 Prozent mit steigender Tendenz. Hier liegt ein Potential für Millionen von Arbeitsplätzen, doch diese Jobs müssen wir als Gesellschaft wollen – und über ein Grundeinkommen können wir sie zumindest basisfinanzieren.
Das Europäische Freiwilligen-Netzwerk, das den französischen Namen Centre Européen du Volontariat (CEV) trägt, ermittelt in europaweiten Studien den ungefähren Wert solcher Freiwilligen-Arbeit und geht in Deutschland von einer Wertschöpfung von mehr als 75 Milliarden Euro aus. Solche Zahlen sind natürlich nur Schätzwerte, aber sie geben ein Gefühldafür, dass es andere Gründe gibt zu arbeiten als Einkommen. Als Motiv für freiwillige Arbeit wird immer wieder genannt: der Wunsch, gesellschaftlich mitzugestalten, sich sinnvoll zu betätigen und anders als über Berufstätigkeit sozial eingebunden zu sein.
Aufschlussreich ist allerdings, dass der ganz überwiegende Teil derer, die freiwillig arbeiten, darüber hinaus einer bezahlten Tätigkeit nachgehen. Das würde sich mit dem Grundeinkommen ändern: Eine Frau, die Hartz IV bezieht, sagte uns bei einer Veranstaltung, sie wolle nicht bekennen müssen, dass sie keine Arbeit habe, weil dies ihre freiwillige Arbeit gleich mit entwerte. Mit einem Grundeinkommen würde sie sich nicht mehr schämen müssen.
Wir leben in Zwischenzeiten: Auf der einen Seite steht der unaufhaltsame Verlust klassischer Erwerbsarbeit, auf der anderen die erhebliche Zunahme von Arbeitsplätzen im kreativen Bereich, im Non-Profit-Sektor und in den Nichtregierungsorganisationen, so dass wir gleichzeitig von einer ökonomischen und sozialen Basis einer Gesellschaft sprechen können, die mehr und anderes sucht als die Verwaltung ihres Mangels. Die mehr will als zu überleben.
»Wovon lebst du eigentlich?«
Wenn das 19. und 20 Jahrhundert durch Institutionen und institutionalisierte, langfristige Arbeitsverhältnisse geprägt waren, gilt das 21. Jahrhundert als eines, in dem
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