1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
echter Pilgerluxus.
Es war ein herrlicher, sonniger Morgen und der Weg vor mir war eben und weitsichtig. Ich fand schnell mein Tempo und freute mich auf die heutige Etappe, die vor mir lag. Nach knapp sieben Kilometern folgte der kleine Ort Puente la Reina, den ich über die namensgebende Brücke erreichte und wo ich mich in einer Bäckerei mit Proviant versorgte. Frisches Brot in einer Tüte baumelte an meinem Rucksack als ich mich wieder auf den Weg machte. Ich musste an einem Bus vorbei, der an einer Haltestelle stand. Seine Warnblinkanlage leuchtete, auf dem Schild stand der Name meines heutigen Zielortes und als ich direkt an ihm vorbei ging, öffneten sich die Türen. Einen winzigen Augenblick dachte darüber nach, einzusteigen.
„Da versucht mich wohl jemand zu verführen“ dachte ich und ging entschlossen weiter — direkt auf Jörg zu, der mir auf der anderen Straßenseite entgegen kam — alleine. Wir tauschten nur ein paar Worte aus und ich wies ihm den Weg zur Bäckerei.
„Ich schau mir mal den Ort hier etwas näher an.“ sagte er „vielleicht bleibe ich auch heute hier.“ Er machte einen geknickten Eindruck. Wir verabschiedeten uns mit einem „Buen Camino“.
Die Wegweiser waren kleine viereckige Holzpfosten, die mit einem Richtungspfeil versehen waren. Auf deren Spitze war die blaue Jakobsmuschel eingearbeitet und ich beschloss spontan diese Wegweiser im Vorbeigehen zu berühren. Auf ebener Strecke war ich ziemlich schnell unterwegs, das hatte ich ja zu Hause auf meinem Laufband trainiert. Deshalb wunderte ich mich, als ich auf einer langen Gerade hinter mir auf dem Schotterweg Schritte näher kommen hörte. Mit dem Rucksack ist umdrehen nur möglich, wenn man stehen bleibt. Das wollte ich aber nicht und so ging ich mein Tempo weiter und wartete, wer mich da wohl überholen würde. Ich staunte nicht schlecht, als mich plötzlich die dunkelbraunen Augen der Schweigsamen anblickten.
„Hola. Buenas Dias“, grüßte sie mich und ich staunte gleich doppelt, denn sie konnte ja reden. Ich grüßte zurück und wir sprachen kurz über den schönen Weg und das herrliche Wetter, bis sie mir kurz angebunden mitteilte, sie würde ihr eigenes Tempo haben und wolle nun alleine weiter ziehen. Ihr eigenes Tempo hieß dann wohl eher „Du bist mir zu langsam“, denn sie zog einfach davon und ich verlor sie bald aus den Augen.
Kurz vor Mittag machte ich Rast in Arres, wo ich mich noch mal mit Wasserproviant versorgte, denn der nächste Ort mit Wasserversorgung und zugleich mein heutiges Tagesziel, war fast zwanzig Kilometer entfernt. Es begegneten mir auf dieser Strecke nur zwei Bauern mit ihren Hunden und eine junge Frau mit Rucksack, die in entgegengesetzter Richtung unterwegs war. Die abgeernteten Getreidefelder des Aragontales, das ich durchschritt, reflektierten immer stärker die Sonnenstrahlen und so kam es, dass mein Wasservorrat langsam zur Neige ging. Ich hatte zwei Flaschen Wasser und eine Dose Isodrink dabei. Davon war nur noch ein kleiner lauwarmer Rest übrig. Ja, mein Reiseführer hatte empfohlen, reichlich Wasser mitzunehmen, aber wer glaubt schon ernsthaft, dass man zwanzig Kilometer lang nichts Flüssiges auftreiben kann?
Dazu passend änderte sich nun die Umgebung. Anstatt durch die Getreidefelder führte der Weg nun durch eine mondähnliche, graue Hügellandschaft. Auf einem weit entfernten Hügel leuchteten die weißen Häuser eines kleinen Dorfes und ich dachte schon, mein Wasserproblem sei gelöst. Doch der Weg führte mich weg von diesem Ort. Das war noch nicht das Ziel.
Die grauen Hügel sahen nicht sehr einladend aus und nachdem ich den letzten Schluck warmen Wassers getrunken hatte, spürte ich ein ungewohntes Gefühl — ich hatte Durst. Spontan kam mir das Bild meines Kühlschranks zu Hause vor Augen, den ich öffnete und mir etwas Kühles herausnahm. Der Weg schien nicht enden zu wollen und die Sonne brannte. Ich war sauer. Heute war Sonntag. Zu Hause lagen alle gemütlich im Garten und ich Blödmann latsche hier ohne Wasser durch die Pampa.
„Un Aqua, porfavour!“ schrie ich in die Landschaft. Keine zwanzig Meter weiter hörte ich Wasser plätschern. Ich blieb stehen, konnte aber nichts entdecken. „So fühlt es sich also an, wenn man Halluzinationen hat“, sagte ich laut. Aber das Plätschern war immer noch da. Langsam ging ich in dessen Richtung und entdeckte hinter einem Busch ein dünnes, schwarzes Plastikrohr, das aus dem Hügel kam und frisches kühles Wasser
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