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1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

Titel: 1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Jakob Weiher
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um meine eigene Achse und wo auch immer ich hinsah, es sah alles gleich aus. Nur Natur, kein wirklich richtiger Weg zu erkennen, keine Ansiedlung, kein Pilger, einfach nichts. Meine Arme waren zerkratzt, weil freundliche Brombeerbüsche ausgerechnet an den engsten Passagen in den Weg rankten.
    Und der Weg wurde nicht besser, die Landschaft immer karger und trockener. Es sah manchmal so aus, als würde ich in eine Kiesgrube hinabgehen. Selbst die Schmetterlinge waren nicht echt. Was da andauernd auf dem Weg vor mir mit hellblauen Flügeln davonflog, waren bei näherem Hinsehen nur Heuschrecken. Ich glaubte mich auf dem falschen Weg. Als ich dann wenig später mitten auf einer Wiese im Nichts endete, wusste ich, ich hatte richtig gedacht. Ich schnallte meinen Rucksack ab und setzte mich in den Schatten eines Baumes. Meine Wasserflasche war leer und nur noch ein Müsliriegel übrig — ich fühlte mich elend und allein.
    „Was soll ich denn jetzt tun?“ dachte ich und hörte eine Stimme. Sie war sehr entfernt zu hören, nicht mal zu verstehen. Ich ging um den Baum herum und schaute den Hügel hinauf. Ein junger Mann in etwa hundert Metern Entfernung schritt auf einer Mauer hin und her — er telefonierte. Höflich wie ich bin, wollte ich ihn dabei nicht stören. Aber das Telefonat wollte gar nicht mehr aufhören. Nach über zwanzig Minuten reichte es mir dann.
    Mit einem „Hola“ versuchte ich seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er schaute in meine Richtung, entdeckte mich aber erst, als ich meinen Gruß ein weiteres Mal zu ihm herüber gebrüllt hatte.
    „Camino de Santiago?“ schrie ich zu ihm rüber und er fing an laut zu lachen. Er brüllte etwas auf Spanisch zurück und wies mit einer großen Geste in eine Richtung. Diese Richtung führte mich wenig später an seinem Haus vorbei, wo er immer noch auf der Mauer stand und telefonierte. Ich ging an ihm vorbei und er grinste. „Camino de Santiago“, wies er mir die Richtung und prustete vor Lachen in sein Telefon.
    Meine Arme waren zerkratzt, ich hatte Durst und Hunger, es war ziemlich warm, der Weg sehr schwer, die Gegend abweisend und ich hatte mich schon am zweiten Tag verlaufen.
    „Wenn es einen unfreundlichen Jakobsweg gibt“, sagte ich zu mir, „dann habe ich ihn heute kennen gelernt.“ Und als ich das dachte, bemerkte ich, wie Schatten über mich hinweg huschten. Als ich meine Kappe absetzte und mich umschaute, bemerkte ich, dass acht Geier über mir kreisten. Ich wollte nur noch nach Hause.
    Ziemlich entkräftet kam ich in Santa Cilia an. Eigentlich hatte ich meine heutige Etappe weiter geplant, aber ich war echt froh, bis hierher gekommen zu sein und wirklich wieder den richtigen Weg gefunden zu haben. Die Herberge in dem kleinen Ort hatte ich schnell gefunden. Die Tür stand offen, nur war niemand da. Auf einem Zettel stand die Info, man solle sich ein Bett aussuchen und sich einrichten, gegen fünf Uhr würde jemand zum Kassieren vorbeikommen. Ich stieg die Treppen hinauf und sah verwundert Duschen, WCs und Schlafräume für Männlein und Weiblein getrennt. Ich beschlagnahmte das Bett am Fenster, die anderen waren noch alle leer. Als ich wieder nach unten ging, saß ein junger Mann auf einem der Stühle.
    „Hallo“, sagte er auf Englisch, „weißt du wie teuer die Übernachtung hier ist?“ — „Nein“, antwortete ich ihm, „ich bin auch gerade erst angekommen. Aber hier in den Anmeldeformularen steht was von zehn Euro.“
    „Das ist mir zu teuer. Dann suche ich mir draußen einen Schlafplatz.“ Ronald aus Frankreich erzählte mir, er sei seit zwei Wochen unterwegs und habe etwa zwei Monate Zeit. Er war fünfundzwanzig Jahre alt, hatte lange, blonde Haare, war schlank und er musterte mich beim Erzählen mit seinen Augen. Wenn er in den Pilgerherbergen nicht für eine kleine Spende bis maximal vier Euro übernachten konnte, schlief er immer in der freien Natur.
    In unsere Unterhaltung begrüßte uns die Herbergsmutter. Ich ließ mich sofort in ihre Liste eintragen, bekam meinen Stempel und bezahlte die zehn Euro. Ronald wollte nicht, griff sich seinen Rucksack und ging hinaus. Die Dame, die die Herberge leitete, gab mir einen Gutschein und erklärte mir etwas von „Schwimmbad im Preis enthalten“. Nun — das musste ich wohl falsch verstanden haben, schließlich war das hier doch eine Pilgerherberge. Aber sie erklärte mir nochmals, dass es im Ort ein Schwimmbad gäbe und dieses könnten Pilger, die bei ihr übernachten würden, kostenlos

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