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1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

Titel: 1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Jakob Weiher
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Pilgermenu nur wärmstens empfehlen. Ich bestellte prompt und bemerkte erst jetzt eine etwas gedrückte Stimmung am Tisch.
    Die Gruppe stand auf, um sich fertig zu machen, aber der alte Mann mit den weißen Haaren blieb sitzen. Dann kam der Rest der Truppe zurück und nun verstand ich erst. Der alte Mann konnte nicht weiter. Er hatte sehr starke Rückenprobleme. Als sich nun die anderen von ihm verabschiedeten, fing der alte Mann an zu weinen. Ich saß ihm direkt gegenüber und schaute in diesem Moment in seine Augen. Diesen Anblick werde ich nie vergessen. Wie ein kleiner Junge vibrierte erst sein Unterkiefer und dann kamen ihm die Tränen. Seine Mitpilger waren ratlos, was sie machen sollten, aber der alte Mann wies sie zu gehen. Er stand wenig später auf und ließ mich alleine am Tisch sitzen. Jetzt fing auch ich an zu weinen. So etwas Rührendes hatte ich noch nie gesehen.
    Nachdem ich hier angekommen war, hatte ich mich eigentlich entschlossen, in diesem kleinen Ort zu bleiben. Ich hatte irgendwie keine Lust mehr heute weiter zu gehen. Als ich aber das Gesicht des alten Mannes vor mir sah, dachte ich daran, was er wohl dafür geben würde, könnte er weiter gehen. Und ich? Keine Lust?
    „Du Weichei!“ sagte ich zu mir selbst, stand auf und machte mich wieder auf den Weg.
    Ich erreichte Sangüesa am späten Nachmittag und kehrte sofort in der ersten Pilgerherberge ein. Ich wunderte mich, denn ich entdeckte kein vertrautes Gesicht. So verbrachte ich dann auch den Abend alleine. Der Ort war etwas größer und verfügte über eine Art Innenstadt, wo ich in einem kleinen Restaurant ein gemütliches Pilgermenu mit gutem Wein zu mir nahm. Als ich dann wieder in der Herberge ankam, war mir dann auch egal, dass ich niemanden kannte. Ich wollte nur meine Ruhe. Der Weg hatte mich heute geschlaucht — körperlich und emotional.
     

Tag 6
     
    Sangüesa / Izco
     
    Am nächsten Morgen war ich sehr früh wach und einer der ersten, die draußen standen — im Regen. Also — das gefiel mir ja gar nicht. Es hatte sich dunkelgrau zugezogen, es regnete mittelstark und es sah nicht so aus, als wolle es in naher Zeit aufhören. Ich wollte dem Wetter aber eine Chance geben und ging erst einmal in Ruhe frühstücken. Doch die Tropfen wollten nicht aufhören zu fallen.
    Nach einem wirklich ausgiebigen Frühstück brach ich in einer Regenpause auf. Etwa fünfhundert Meter später fing es schon wieder an zu regnen, als sich kurz vor mir ein Tor öffnete und Christiane heraus schaute. Ich war gerade an der zweiten Pilgerherberge im Ort angekommen und hier hatten sich gestern all meine Mitpilger einquartiert.
    „Hallo Werner“, lächelte Christiane mich an, „komm rein und trink’ eine Tasse Kaffee mit uns.“ Diese Einladung ließ ich mir wegen des stärker werdenden Regens nicht entgehen. Christiane stand in der Küche und bereitete das Mittagessen. Sie machte Tee für einen deutschen Pilger, der oben im Bett lag und sich den Magen verdorben hatte. Dann lief sie mit einem warmen Kräuterwickel an mir vorbei, den sie für den zweiundsiebzigjährigen Belgier gemacht hatte, der auch oben mit seinen Rückenproblemen lag.
    „Ist das hier eine Pilgerherberge oder das Hospital?“ fragte ich mich. Zwischendurch brachte Christiane mir einen Kaffee und organisierte für einen verletzten jungen Italiener eine Busfahrt. Sie war voll in ihrem Element. Fehlten nur noch ein Häubchen und die Krankenschwesteruniform. Sie war richtig glücklich und wenn ich es nicht besser gewusst hätte, wäre jeder davon ausgegangen, dass ihr diese Herberge hier gehört. Ich saß mit fünf Pilgern am Tisch und hatte plötzlich einen Teller Spaghetti vor mir stehen. Nach dem Essen kam ein junges, deutsches Pärchen herunter. Er hatte den verdorbenen Magen. Wir kamen ins Gespräch, bis mich Christiane in die Küche zum Abtrocknen beorderte. Dort sprach ich mit dem jungen Italiener, Toni, der seine Weggefährten verloren hatte und gleich eine Station mit dem Bus fahren wollte, um sie wieder einzuholen.
    In dieses Chaos hinein öffnete sich die Tür und Richard, Uwe und Ruut betraten völlig durchnässt den Aufenthaltsraum der Herberge. Sie hatten die Nacht mal wieder im Freien verbracht und waren vom Regen, der in der Nacht einsetzte, überrascht worden. Die waren vielleicht sauer.
    In diesem ganzen Gewusel realisierte ich nun langsam, dass ich ja eigentlich auch ein Ziel hatte, dass ich heute aber schon nicht mehr erreichen konnte. Als sich Toni dann

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