1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
verabschiedete, griff ich spontan meinen Rucksack und folgte ihm. Christiane habe ich seitdem nicht mehr gesehen. Es würde mich aber nicht wundern, wenn sie sich heute noch in diesem Refugio um die Pilger kümmert. Im nach hinein war mir dann auch eingefallen, wo ich sie zum ersten Mal gesehen, beziehungsweise gehört hatte. Sie war die nette Pilgerin, die am Kloster aus dem Bus stieg, als ich mich weiter auf den Weg machte. Warum sie mich damals so herzlich gegrüßt hatte, konnte ich sie nicht mehr fragen.
Etwa vier Stunden später kamen Toni und ich an einer Pilgerherberge vorbei, in der Toni seine Freunde vermutete. Ich aber hatte den Drang weiter zu gehen und so trennten wir uns. In der Richtung, in der mein Weg lag, zogen die Wolken nun dichter und dunkler heran. Nachdem es wieder stärker anfing zu regnen, suchte ich Unterschlupf in einer Scheune, die von einem Hund bewacht wurde. Er ließ mich zu meinem Erstaunen ohne Gebell an sich vorbei in die Scheune, die ich sofort als riesigen Schafstall erkannte. Der ganze Boden war bedeckt von Schafmist und so roch es auch. Der Regen war stärker geworden und prasselte auf das Blechdach. Als ich mich umsah, waren in einer Ecke ein paar Mutterschafe mit ihren Jungen eingepfercht. Die anderen — und ich denke mal, in die Scheune passten mehrere hundert Tiere — waren zum Glück draußen auf der Weide.
Da stand ich nun in Schafkacke, von außen und von innen nass und wusste nicht, wie ich weiterkommen sollte. Der Hund draußen und die Schafe drinnen ließen mich nicht aus den Augen. So hatte ich mir den Jakobsweg nicht vorgestellt.
In einer kleinen Regenpause nach fast einer Stunde entschloss ich mich dann schweren Herzens die etwa drei Kilometer zurück zur Herberge zu gehen, um dort die Nacht zu verbringen. Denn vor mir hätten bis zum nächsten Ort fast zehn Kilometer gelegen und die nächste dunkle Wolkenwand zog aus dieser Richtung heran. Es waren sehr harte drei Kilometer für mich, denn ich schritt sie zurück, entgegen des Weges. Von dort war ich gekommen und diese Strecke musste ich morgen noch mal gehen — es war frustrierend.
Entsprechend gelaunt kam ich an der kleinen Herberge an, wo ich als erstes von einem großen dunkelhaarigen, sehr grimmig dreinschauenden Mann empfangen wurde, der mich auf Spanisch anwies, vor dem Betreten der Herberge meine Schuhe auszuziehen. Widerwillig legte ich im Vorhof auch meinen Rucksack ab und ging hinein in einen großen Raum, indem sich etwa fünfzehn Pilger aufhielten. Auf Anhieb erkannte ich niemanden. Eine junge Frau trat auf mich zu, um mir mitzuteilen, dass die Herberge eigentlich schon voll ist. Es warteten schon fünf Pilger auf einen zusätzlichen Schlafplatz. Wir alle mussten bis neunzehn Uhr warten, dann käme die Frau, die diese Herberge leitete.
„Na toll“, dachte ich, „ hier will ich bestimmt nicht bleiben.“
Ich versuchte zusammen mit der jungen Frau, die nur Spanisch sprach, irgendwie eine Busverbindung oder ein Taxi aufzutreiben. Ich wollte nur weg von hier. Aber es war nichts zu machen. Ich schien im Niemandsland zu sein. Auf einer Insel, um die herum im Umkreis von zehn Kilometer sich nur Wasser befand. Ich fühlte mich elend und verloren.
„Wenn wenigstens irgendjemand hier...“ ich hatte diesen Gedanken nach einem bekannten Gesicht noch nicht zu Ende gedacht, da kam Monica aus einer Ecke des Raumes auf mich zu. Sie bemerkte wohl in meinen Gesichtszügen meinen Gefühlszustand und redete beruhigend auf mich ein. Das zeigte dann auch Wirkung und ich entschloss mich, schon einmal zu duschen, die nassen Klamotten zu tauschen und auf die Herbergsmutter zu warten.
„Ich werde mich darum kümmern, dass du eine Schlafgelegenheit hier bekommst. Egal, wie überfüllt es in den Refugios ist, bei einem solchen Wetter schickt dich niemand fort. Zur Not kommst du bei einem der Bewohner aus dem Ort unter. Einem Pilger in Not wird immer geholfen.“ Ihre Worte waren wie Balsam auf meinen Gemütszustand.
Monica sollte auch recht behalten, denn kurz nachdem die Frau des Hauses angekommen war, redete Monica mit ihr, worauf sie mir deutete, eine Matratze zu schnappen und ihr zu folgen.
Ich nahm also eine Matratze und verließ den großen, miefigen, überfüllten Raum, in dem ich gedacht hatte schlafen zu müssen und wurde in einen Nebenraum geführt. Ich öffnete die Türe und traute meinen Sinnen nicht. Meine Nase nahm Räucherstäbchen und Massageöl wahr, meine Ohren Meditationsmusik und meine Augen
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