1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
wirklich aufs Wort hörte.
Nach zwei Tassen Kaffee verabschiedete ich mich von den Beiden. Es war noch nicht so warm und diese angenehmen Temperaturen wollte ich auf jeden Fall noch ausnutzen.
Gemächlich erreichte ich kurz nach Mittag mein Ziel, den Ort Villafranca — Montes de Oca und seine Pilgerherberge.
Ich checkte bei einer jungen Dame am Eingang ein und durfte mir in dem großen Schlafraum ein Bett aussuchen. Nach dem Ankommritual, Schuhe und Strümpfe ausziehen und lüften, Duschzeug und frische Klamotten raussuchen, wobei das Wort „frisch“ hier nicht angebracht war, und dann erst einmal schön duschen, legte ich mich auf mein Bett und schloss die Augen.
Fast automatisch wachte ich aus einem leichten Schlaf auf. Im Türrahmen stand eine wunderschöne Frau. Schwarze, lange Haare eine weiße, kurzärmlige Bluse und ein langes weißes Kleid. Sie passte so gar nicht in eine Pilgerherberge, es sei denn, man hätte sie in ihrer weißen Kleidung für einen Engel gehalten. Aus meinem Innern hörte ich ein reflexartiges „wow“ und erkannte dann — das war Monica. Nun entdeckte sie mich auch und kam auf mich zu. Alle wachen Blicke in dem Raum waren auf sie gerichtet.
„Hallo Werner“, sagte sie leise zu mir, „können wir los? Ich fühl mich mit den Klamotten hier nicht so wohl.“
Ich wollte auflachen, verkniff es mir allerdings. Ich packte meine Kameratasche und folgte ihr nach draußen zu ihrem Auto. Nach zwei autofreien Wochen, und dann noch auf dem Beifahrersitz, kam ich mir während der knapp vierzig Kilometer bis in die Großstadt Burgos etwas komisch vor, zudem ich ja immer noch auf Pilgerschaft war. Monica wollte alles über meine vergangenen Tage wissen. Meine Erlebnisse, meine Eindrücke, meine Meinung zu diesem und jenem. Ich berichtete ihr so gut ich konnte und versuchte, nichts auszulassen.
Kaum waren wir in der City von Burgos angekommen, verschwanden wir in einer Tiefgarage, um dann mit einem Fahrstuhl direkt auf den Rathausplatz zu gelangen. Wir gingen ein paar Meter, bis ich ein Eiscafé entdeckte.
„Ich will ein Eis“, sagte ich.
„Hast du mir nicht gerade auf der Fahrt erzählt, dass du dir den Magen verdorben hast und heute Nacht mehrmals auf die Toilette musstest?“ Ich blieb stehen, schaute sie an und fragte mich, ob sie jetzt meine Mami spielen wollte.
„Ich will ein Eis“, wiederholte ich. Monica verdrehte die Augen und kaufte mir ein Eis. Wir setzten uns auf eine riesige steinerne Bank und schauten uns das Treiben an.
„Gefällt mir nicht“, sagte ich, „das passt nicht zur Pilgerschaft. Zu viele Menschen, zu viel Hektik, keine Ruhe.“ Monica tippte mich an, stand auf und deutete über die Häuser. Die Spitzen zweier Türme waren zu sehen.
„Komm, du Pilger. Ich zeige dir die Kathedrale.“
Die „Catedral de Santa María“ wurde vom zwölften bis zum sechzehnten Jahrhundert erbaut und gehört zu den eindrucksvollsten Bauwerken Spaniens, so mein Reiseführer. Die vierundachtzig Meter hohen Türme wurden nach den Plänen von einem Juan de Colonia, übersetzt Hans von Köln, geplant und erbaut.
Was dann noch alles in meinem Reiseführer über dieses Bauwerk stand, waren sehr viele Namen und Daten, wer, wann und womit seine Handwerkskunst zum Besten gegeben hat. Alleine diese Ausführlichkeit hatte mich neugierig gemacht, obwohl ich sonst nicht besonders auf Bauwerke dieser Art stehe.
Monica kaufte uns die Eintrittskarten und ein Ticket, dass ich meine Kamera mit hinein nehmen durfte. Durch einen der vielen Nebeneingänge betraten wir das Gotteshaus. Wie schon erwähnt, eigentlich stehe ich nicht so besonders auf kirchliche Bauwerke. Und auf spanische sowieso nicht.
Ich hatte vor langer Zeit zwei Jahre in Mexiko verbracht und mich dabei sehr intensiv mit der Geschichte und der Kultur der Ureinwohner beschäftigt. Was die Spanier in dieser Zeit im Zeichen des Kreuzes angerichtet hatten, war sehr schlimm. Unter anderem hatte ich gelesen, wie viele Tonnen Gold und Silber, bzw. Edelsteine die Spanier damals den Mayas und Azteken gestohlen und per Schiff in ihr Land verbracht hatten. Ich stellte mir beim Anblick der ersten vergoldeten Altäre vor, dass ich hier genau diese Schätze nun bestaunte.
Natürlich behielt ich diese Gedanken für mich. Mich beschlich auch sofort ein schlechtes Gewissen, warum ich gerade jetzt an so etwas denken musste. Nach und nach beeindruckte mich allerdings das, was ich hier sah, so sehr, dass ich aus dem Staunen nicht mehr heraus
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