1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
mit dem Wochenendhaus einmal kurz erwähnt. Sie machte dort im Sommer oft einen Kurzurlaub. Sie und ihre Freundin würden dort den ganzen Tag sehr freizügig am Swimmingpool verbringen, da dieser von außen nicht sichtbar war. Dieses Bild bekam ich irgendwie nicht aus dem Kopf.
„Ja. Tolle Idee“, sagte ich begeistert.
„Prima“, antwortete sie mir, „dann suchst du dir morgen am besten von Burgos aus eine Busverbindung.“
„Diese verdammten Busse“, dachte ich und notierte kurz den Ort, an dem ich morgen aussteigen, und sie mich abholen wollte.
Bevor ich noch richtig über diese Verabredung nachdenken konnte, lief ich in einem kleinen Ort direkt auf den Garten des Refugios zu. Darin genossen mehrere Pilger auf Liegen, Stühlen oder im Gras liegend die Sonne. Ich schritt bis an den kleinen Gartenzaun heran und beschloss spontan hier einzuchecken.
Die Herberge war ziemlich neu und sah sehr gepflegt aus. Die Zimmer waren klein und jeweils mit sechs Betten bestückt. Nachdem ich meine Sachen sortiert und geduscht hatte, begab auch ich mich in den Garten. Um mich herum hörte ich nur verschiedene, fremde Sprachen. Mein Reiseführer, den ich als Lektüre mitgenommen hatte, erzählte mir erstaunliches über diesen kleinen Ort.
Hier in Atapuerca wurden im Jahr 1994 die Überreste des ältesten, jemals in Europa gefundenen Menschentyps gefunden und somit gehört der Ort zu den wichtigsten archäologischen Ausgrabungsstätten der Welt.
Ich staunte nicht schlecht, aber hier im Garten zu liegen, war mir im Moment wichtiger, als diese prominente Ausgrabungsstätte zu besichtigen. Einer der Gäste ging an mir vorbei und nickte mir zu. Es war ein kleiner, älterer Herr mit etwas lädiertem Gesicht aus Korea, den ich in unserem Zimmer schon kurz kennengelernt hatte. Zwei Nächte zuvor war er mitten im Schlaf aus einem der oberen Betten gefallen und hatte sich dabei ein blaues Auge eingefangen. Er hatte sich mit seinen zweiundsechzig Jahren auf den Jakobsweg gemacht und ich fragte mich, wie jemand aus Korea auf die Idee kommen konnte.
Um kurz nach neunzehn Uhr saß ich im einzigen Restaurant des Ortes und wartete auf mein Pilgermenü. Rotwein und Brot standen wie immer schon bereit, als eine junge, etwas korpulentere Frau das kleine Lokal betrat. Es waren nur noch zwei Plätze frei. Bei dem Herrn aus Korea saß eine junge Asiatin am Tisch, mit denen sich die Frau kurz auf Englisch unterhielt, um sich dann zu mir umzudrehen und nach dem freien Platz zu fragen.
„Bitte sehr, setz dich“, sagte ich freundlich, denn die junge Frau sprach Deutsch und ich freute mich, mich wieder mal in meiner Sprache zu unterhalten. Martina kam aus der Nähe von Augsburg. Auch sie war froh, mal wieder in ihrer Sprache Kontakt zu haben. Wir beide waren die einzigen Deutschen in der Herberge.
„Aber den beiden da drüben muss es noch schwerer fallen, den Jakobsweg zu gehen. Koreaner trifft man nun wirklich selten hier. Und beide können nur sehr schlecht Englisch. Aber heute haben sie sich hier gefunden.“ Sie schaute zum Nachbartisch.
„Chan ist seit zwei Wochen unterwegs. Er kann wenigstens etwas englisch. Aber Lee kann sich fast gar nicht verständigen. Eine mutige Frau. Sie ist gerade einmal dreiundzwanzig Jahre alt und ist vollkommen alleine unterwegs.“ Ich war erstaunt. Zum einen über die Tatsache, dass sich Menschen aus Korea auf den Jakobsweg begaben. Und zum anderen, dass sich die beiden bei der Vielzahl von Pilgerherbergen ausgerechnet hier trafen. Und sie schienen einen Riesenspaß zu haben, sich endlich wieder in ihrer Heimatsprache zu unterhalten. Und noch etwas fiel mir auf. Obwohl bei ihnen am Tisch noch ein Platz frei war, setzte sich niemand zu ihnen. Sie schauten nur zu und schienen nicht stören zu wollen. Die junge Lee war überglücklich.
„Sie hat in den letzten Tagen immer wieder Probleme mit ihren Füßen gehabt und ist nur langsam vorangekommen. Ich habe sie ein paar Mal angesprochen, und sie schien sehr frustriert zu sein.“
„Na, das scheint ja zumindest heute Abend nicht mehr der Fall zu sein“, bemerkte ich und ließ mich, wie das halbe Restaurant von der rührenden Szene beeindrucken.
„Jaja der Weg“, sagte Martina und erkundigte sich nach meinen bisherigen Erlebnissen. Ich berichtete ein wenig und erfuhr dann von ihr, dass sie ab Burgos mit dem Zug eine längere Strecke Richtung Santiago zurücklegen wollte.
„Mit meiner Körperfülle komme ich nur langsam voran. Und ich bin froh, es bis
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