1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
kleinen Erhöhung führte der Weg nun stetig leicht bergab. Etwa zehn Kilometer vor Burgos hielt ich zu Mittag in einer kleinen Dorfschänke an. Zahlreiche vor der Türe abgestellte Rucksäcke deuteten mir, dass man hier gut essen kann.
Bewacht wurden die Rucksäcke von einem Hund, den ich unterwegs schon einmal kurz gesehen hatte. Es war der Hund eines Mannes, der sich selbst als Eremit bezeichnete. Ich hatte von Martina erfahren, dass er früher ein erfolgreicher Geschäftsmann gewesen sei. Doch irgendeine Begebenheit hatte ihn dann Job, Familie, Haus und Freundeskreis aufgeben lassen und er war ohne jeden Besitz, außer der Klamotten die er bei sich trug, auf der Suche nach Gott, wie er es beschrieb. Er war mir auf dem Weg immer nur kurz begegnet und hatte mich dabei mit sehr freundlichen Augen gegrüßt. Diesmal lud er mich ein, zu ihm und seinen zwei weiblichen Begleitungen zu setzen. Er redete zu mir in recht gutem Deutsch.
„Ich habe zwei Jahre in Heidelberg studiert“, sagte er und erkundigte sich nach meinem Befinden. Er wirkte auf mich sehr ruhig und ausgeglichen, fast schon meditativ. Ich merkte, wie ich schwer in meinen Stuhl sank während ich ihm zuhörte. Er sprach mit mir Deutsch, dann mit der einen Frau etwas auf Italienisch, dann mit der anderen in Französisch. Er fragte mich nach meiner Meinung zu einem bestimmten Thema, aber ich antwortete nur ganz knapp.
Ich war in einer Stimmung, in der ich reden als störend empfand. Ich weiß nicht, wie lange ich dort so gesessen bin, aber irgendwann standen die drei auf und verabschiedeten sich von mir. Ich war halb in Trance, mir war wohlig und schwer zumute und ich erinnerte mich sinngemäß an einen Satz von ihm, der beschrieb, dass der Jakobsweg vieles geben, aber auch einiges fordern würde. Ich konnte das nicht richtig einordnen und machte mich noch halb in diesem angenehmen, schweren Zustand etwas schaukelnd wieder auf den Weg.
Sobald ich den Außenbezirk von Burgos erreichte, machte das Wandern keinen großen Spaß mehr. Wenn der Jakobsweg durch eine Großstadt führt, verliert er jeden Reiz. Ich erreichte die Innenstadt, sah von fern die Türme der Kathedrale und suchte den Busbahnhof. Der Ort, den Monica mir genannt hatte, schien ja echt beliebt zu sein.
Als ich den Mann am Ticketschalter um eine Fahrkarte bat, lachte er zu seinem Kollegen am Nachbarschalter hinüber, der dann auch anfing zu lachen. Ich verstand nicht, was sie sich sagten, also bildete ich mir ein, dass sie einfach nur einen Scherz machten, völlig unabhängig von meiner Person. Jedenfalls teuer war es nicht, die Fahrkarte kostete zwei Euro achtzig. Und mein Bus ging in zwei Stunden. Meine Ankunftszeit teilte ich Monica per SMS mit.
Ich ging auf den großen Hauptplatz, auf dem ich von Monica mein Eis bekommen hatte. Das Eiscafé hatte geschlossen. Also schlenderte ich umher und wurde innerlich unruhig. Hier und da entdeckte ich im Getümmel der Menschen Pilger, die mit ihren Rucksäcken und Wanderstäben auffielen. Dieser Platz hier war ein Stück des Jakobsweges. Der Weg führte hinüber zur Kathedrale, um sie herum und durch die Altstadt von Burgos vorbei an der etwas abgelegenen Pilgerherberge wieder heraus aus der Stadt. Ich setzte mich in ein Café und beobachtete die Menschen.
Ich war unruhig, ich spürte den Drang zu gehen. Ich konnte nicht in Ruhe hier warten, um dann in etwa drei Stunden eine schöne Frau zu begrüßen, und fern vom Weg ein Wochenende zu verbringen. Diese Gedanken schwappten in meinem Kopf hin und her, auch dann noch, als ich im Busbahnhof saß und die Abgase der wartenden Reisebusse einatmete.
„Das ist doch nun wirklich kein Ort für einen Pilger“, war einer der wenigen klaren Gedanken, die in mir aufkamen, „das hier doch wirklich nicht.“ Dann rollte mein Bus vor und öffnete die Seitenklappen. Fast automatisch verstaute ich meinen Rucksack und suchte mir einen Sitzplatz.
„Busfahren...“, ich warf mir selbst vor, was ich da tat.
Minuten später rollte der Bus durch die Altstadt von Burgos hinaus in die Landschaft, aus der ich gekommen war. Mit jedem Kilometer, den der Bus hinter sich brachte, fühlte ich mich schlechter. Bei jeder Station, die er anfuhr, fühlte ich den Impuls auszusteigen, und ich hatte keine Ahnung, warum das so war.
Es war Sommer in Spanien — herrliches, warmes Urlaubswetter. Ich hatte ein Wochenende vor mir mit einer bemerkenswerten Frau — attraktiv, intelligent, selbstbewusst. Ein einsames, abgelegenes
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