1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
Stimmung in dem kleinen Gastraum war fast schon ausgelassen. Dann wurde der Lärmpegel wirklich störend und da auch nach unserem Essen immer noch Gäste auf einen freien Platz warteten, nahmen wir unsere Gläser und die verbleibenden Flaschen Rotwein und trafen uns draußen auf der Mauer der Kirche wieder — alle. Gegen halb neun standen wir mit gut fünfundzwanzig Menschen zusammen. Fast jeder hatte ein Glas Rotwein in der Hand. Als sich der Himmel hinter der alten Kirche rot färbte, wurde es still und eine Weile beobachteten alle den Sonnenuntergang.
Um kurz vor zehn Uhr wurde es dann Zeit die Herberge aufzusuchen, obwohl einige immer noch in sehr ausgelassener Stimmung waren. Als ich das Bad betreten wollte, standen drei Frauen an den Waschbecken. Martina schaute zu mir auf.
„Hey. Hier ist die Damenabteilung.“ Verdutzt schloss ich die Tür wieder und hörte dann Gelächter im Bad. Es gab keine getrennten Bäder. Und da die Mädels alle ordnungsgemäß gekleidet waren, stellte ich mich grinsend dazu. Als wir alle unsere Betten bestiegen hatten, und die Kirche zehn Uhr schlug, wurde es ruhig im Raum. Er war mit sechs Stockbetten ausgestattet, also mit zwölf Personen. Darunter Kanadier, Franzosen, Spanier und Deutsche.
Als einer der Franzosen das Licht gelöscht und sich alle gute Nacht gewünscht hatten, war es still im Raum. Draußen hörte man in einiger Entfernung noch Kinder spielen und wir Erwachsenen lagen hier um kurz nach zehn Uhr brav im Bett.
„Was für ‘ne Wahnsinnsparty hier“, sagte ich spontan. Die Deutschen lachten auf, übersetzten den anderen und der ganze Raum lachte.
Tag 18
Hornillos del Camino / San Anton / Itero de la Vega
An diesem Morgen war ich einer der Ersten, die aus dem Bett schälten. Nach einer kurzen, schnellen Dusche setzte ich mich mit meinem obligatorischen Schokoriegel in den Gemeinschaftsraum der Herberge, denn hier stand ein Kaffeeautomat. Ein älteres Ehepaar kam herein und breitete ein richtiges Frühstück aus. Bevor mir der Hals zu lang wurde, entschloss ich mich aufzubrechen.
Im Schlafraum war das Durcheinander groß. Ich versuchte dummerweise meinen Rucksack im Raum aufzuschnallen und traf mit meinem festgezurrten Stativ den Arm einer der deutschen Frauen, die gerade hinter mir ins Bad wollte. Ich zuckte zusammen, denn ich ahnte, dass der Hieb von mir richtig wehgetan haben musste. Ich schaute sie an und entschuldigte mich sofort. Sie aber lächelte nur.
„Dem Arm kannst du nicht mehr weh tun“, sagte sie und schob ihr Handtuch etwas beiseite — ihr rechter Arm, den ich getroffen hatte, war eine Prothese. Mit einem verkniffenen Lächeln ging ich nach draußen und war an diesem Morgen einer der ersten auf dem Weg.
Die Landschaft war weiterhin von Kornfeldern geprägt, die sich über leichte Hügel zogen. Nach einem kurzen Frühstück traf ich auf Bruce aus Irland. Er war mit seinem Vater, der mehrere hundert Meter voraus neben einer Holländerin wanderte, unterwegs. Bruce schwärmte über die Landschaft, die wir gerade gemeinsam durchwanderten und erzählte mir, dass er und sein Vater vor zwei Tagen in Burgos gestartet waren und in drei Wochen die Strecke bis Santiago meistern wollten.
Gemeinsam erreichten wir San Anton, wo der Jakobsweg direkt durch das hohe Bogengewölbe einer Klosterruine aus dem zwölften Jahrhundert führt. Hier soll ein typisches Pilgerzeichen, das „Cruz del Peregrino“, das Pilgerkreuz entstanden sein.
Die Mönche des hier ansässigen Ordens trugen es damals als Erkennungszeichen und schenkten es den Pilgern zum Schutz für den Weg. Dieses magische und mystische Symbol sieht man in jedem Pilgerladen auf dem Weg.
Und wo es sich um Ruinen, Mystik, Kreuze und Ritterorden drehte, musste Bruce als Irländer natürlich halt machen. Ich verabschiedete mich von ihm und ging alleine weiter.
Es folgte kurz nach Mittag ein Ort mit auffallend vielen Herbergen. Mein Reiseführer klärte mich darüber auf, dass in etwa zwei Kilometern Entfernung der Tafelberg „Alto de Mostelares“ mit einem kurzen, aber knackigen Aufstieg auf die Wanderer wartete. Und da viele Pilger die Gelegenheit nutzen wollten, diesen knapp eintausend Meter hohen Berg in morgendlicher Frische zu nehmen, gab es hier ebenso viele Übernachtungsmöglichkeiten. Ich wollte aber weiter. Also deckte ich mich in einem kleinen Laden noch mit Proviant und Wasser ein und näherte mich dem Anstieg genau zur heißesten Zeit des Tages.
„Eigentlich
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