1003 - Die Templer-Säule
Finsternis.
Gedankenverloren blieb ich am Rand des Grabens stehen. Mein Blick verlor sich in der Tiefe, und ich fing an, mich über mich selbst zu wundern. Hätte mich jemand nach dem Grund gefragt, weshalb ich diese Pause eingelegt hatte, ich hätte ihm eine Antwort gegeben, über die er nur hätte schmunzeln können.
Eine innere Stimme, ein Druck, ein Gefühl, alles deutete daraufhin, daß es wichtig war, hier zu stoppen. Nicht die direkte Umgebung zählte, sondern das, was vor mir lag – die Tiefe des Grabens.
Ich beugte mich etwas weiter nach vorn. Aus der Tiefe wehte mir jetzt ein kühlerer Luftzug entgegen, wie der Hauch aus einem riesigen Grab. Und sofort hatte ich Sand in Mund und Augen. Geräusche waren nicht zu vernehmen, trotzdem lockte mich dieser Graben. Er sorgte dafür, daß ich weiterging.
Diesmal hatte ich sogar ein Ziel. Ich suchte nach einer Möglichkeit, in diese dunkle Tiefe zu gelangen. Die geheimnisvollen Kräfte oder Wesen schoben mich praktisch in diese Richtung. Ich konnte an nichts anderes mehr denken.
Noch blieb ich auf der Straße. Die ersten zehn, zwanzig Meter ging ich parallel zum Graben, nur darauf achtend, wo ich hintrat. Ich brachte noch ein Stück hinter mich – und hatte plötzlich gefunden, wonach ich mich instinktiv gesehnt hatte.
Es gab einen Übergang! Eine Brücke aus Stein, die in der Mitte von einer aus der Schlucht hochragenden Felssäule gestützt wurde.
Das war kein Werk der Natur. Hier hatten Menschen ein Erbe hinterlassen. Zudem glaubte ich daran, daß dieses ungewöhnliche Bauwerk schon uralt war und die Baumeister vor Hunderten von Jahren gelebt hatten.
Obwohl der Übergang ziemlich baufällig aussah, wurde ich von ihm beinahe wie magisch angezogen. Eine innere Stimme sagte mir nicht nur, daß diese Brücke genau der Weg war, nein, es kam noch etwas anderes hinzu. In der Tiefe wartete ein Geheimnis auf mich.
Ein Rätsel, das ich lösen mußte. Das mich dann auf dem Weg zu meinem Ziel, dem Erreichen der Bundeslade, weiterbrachte.
Für einen kurzen Moment dachte ich daran, daß hier nicht die Stadt Aksum war, aber das spielte jetzt keine Rolle. Ich wollte den Fall Stück für Stück aufrollen.
Die Brücke war leer. Nichts bewegte sich auf ihr. Ebensowenig an der anderen Seite des Grabens. Dort lauerte niemand auf mich.
Ich hatte freie Bahn.
»Dann mal los!« machte ich mir selbst Mut und betrat diesen nicht eben vertrauenserweckend aussehenden Übergang.
Breit war die Brücke nicht. Ich mußte sehr vorsichtig gehen, die Füße stets anheben, denn Buckel der unterschiedlichsten Größe wuchsen aus dem kompakten Stein hervor und bildeten gefährliche Abschnitte.
Ich ging Schritt für Schritt weiter.
Warmer Wind umfächerte mich. Zum Glück nicht so stark. Aber er drang trotzdem in die oft handbreiten Risse im Gestein ein und wühlte den sich dort abgesetzten Staub auf. Er puderte meine Hosenbeine, bevor er über die Seiten hinweggeweht wurde.
Als ich etwa die Mitte der Brücke erreicht hatte, blieb ich stehen.
Eine kurze Orientierung war nötig. Schwindelfrei mußte man schon sein, um in das Dunkel rechts und links zu blicken. Dabei fiel mir auf, daß er auf dem Grund zwar düster war, aber dort wuchs etwas hoch. Es erinnerte mich an die Dächer irgendwelcher Häuser, und ich dachte sofort an eine versteckte Stadt.
Die Rätsel nahmen zu…
Auch jetzt kam kein Mensch in meine Nähe. Niemand beobachtete, wie ich mich der anderen Seite näherte.
Ich hatte sie noch nicht erreicht, als ich die Stufen der alten Treppe entdeckte. Sie führte vom Rand der Schlucht in die Tiefe. Es war eine Treppe ohne Geländer, die sehr steil in die Tiefe führte. Wer endlich unten war, der wußte genau, was er getan hatte, und ich sah, was mir bevorstand.
Auf den letzten Metern der Brücke knirschte es noch gefährlich unter meinen Füßen, aber es brach nichts weg, und mit einem letzten großen Schritt erreichte ich den Rand.
Von hier aus hätte ich weiter in das Land hineingehen können.
Auf einen Hintergrund zu, in dem sich in der Glut der Sonne schwach die Umrisse einer Gebirgskette abzeichneten. Den Namen kannte ich nicht. Ich wollte ihn auch nicht wissen, denn ich hatte einen schwierigen Abschnitt vor mir. Eine mit Sand und vielen kleinen Steinen bedeckte Treppe. Ohne Geländer!
Eine derartige Treppe war ich noch nie gegangen. Das Hinabsteigen war schlimm. Ich konnte mich nirgendwo festhalten und mußte dabei auf meine Füße schauen. Wenn ich direkt nach vorn
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