1005 - Im Bann des alten Königs
Geist eines uralten äthiopischen Königs im Körper des Toten steckte, aber der Ausdruck der Augen sagte eigentlich alles. Das passierte nicht von ungefähr, und da steckte auch ein System dahinter, obwohl Suko noch nicht wußte, welches. Er würde es noch herausfinden, davon ging er aus.
Auf der anderen Seite dachte er an seinen Freund John. Wo immer er sich jetzt herumtrieb, es gab trotz allem eine Verbindung zwischen ihm und dem Vorgang hier. Nur war diese Verbindung erstens nicht zu sehen und zweitens auch nicht logisch nachzuvollziehen. Wenn überhaupt, dann nur auf eine magische Art und Weise.
Die Stille tat ihm gut. Keine Stimme lenkte ihn ab. Suko konnte seine Gedanken wieder sammeln. Er kam zu dem Ergebnis, daß er allein auf verlorenem Posten stand. Einen direkten Helfer würde er kaum bekommen, aber er wußte auch, daß London – und damit Sir James – Bescheid bekommen mußte.
Auf sein Handy verzichtete Suko. Das andere Telefon stand in Reichweite. Er machte es sich bequem und legte die Beine auf die Kante des Schreibtisches, als er auf die Verbindung wartete.
Sie war schnell da.
»Ich wollte mich mal wieder melden, Sir.«
»Das habe ich auch erwartet. Ziemlich spät, wie mir scheint.«
»Es ist einiges passiert.«
»Hilft uns das weiter?«
»Ich habe keine Ahnung, Sir. Es scheint so zu sein, daß die Dinge, die wirklich wichtigen, an uns vorbeigelaufen sind.«
»Was ist passiert? Reden Sie!«
Es war wirklich nicht Sukos Art, so lange um den heißen Brei herumzusprechen, aber er konnte nicht anders, denn die eigenen Gedanken ließen sich schlecht vertreiben. Deshalb gab er auch einen etwas gestelzt klingenden Bericht, dem Sir James zwar ruhig zuhörte, dann allerdings erschrak, als er erfuhr, was mit dem toten Horace F.
Sinclair wirklich geschehen war.
»Die Augen haben sich verändert, sagen Sie?«
»Ja. Sie sind dunkel. Sie sind zudem hart wie die Schalen einer Nuß geworden.«
»Ein ungewöhnlicher Vergleich.«
»Der leider stimmt.«
»Das glaube ich Ihnen. Auch wenn es Ihnen schwerfallen wird, Suko, eine Antwort zu geben, aber wie könnte es Ihrer Ansicht nach denn weitergehen? Haben Sie eine Idee?«
»Im Prinzip nicht.«
Die Antwort hatte Sir James Powell nicht gefallen. »Ihre Stimme hat ein wenig seltsam geklungen. Befürchten Sie schwerwiegende Nachwirkungen, Suko?«
»Ich kann es nicht sagen. Aber ich weiß oder gehe zumindest davon aus, daß sich der Geist eines längst verstorbenen Königs den Körper des Horace F. Sinclair als Wirt ausgesucht hat.«
»Sie wissen auch, was das bedeuten kann?«
»Ja, Sir, ein gewisses Erwachen aus einer Tiefe, die nur mit dem Tod zu tun haben kann.«
»Soll ich das Wort gebrauchen?«
Suko verzog die Mundwinkel. »Zombie?« murmelte er. »Ja, im Prinzip haben Sie schon recht. Er würde zu einem Zombie werden, aber ich kann es bei Horace F. nicht akzeptieren. Ich würde mich nie mit dem Gedanken anfreunden können, daß Johns Vater oder auch die Mutter nach ihrem Tod zu lebenden Leichen werden. Wie auch immer, ich glaube nicht an eine Wiedergeburt des Königs Lalibela in Horace F. Sinclair.«
»Das ist möglich, aber Sie wissen selbst, was alles möglich ist, Suko. Wirklich alles.«
»Nur hoffe ich es nicht.«
»Eben.«
»Jedenfalls halte ich hier in der Polizeistation in Lauder Wache. Zumindest in der nächsten Nacht. Danach müßte die normale Routinearbeit der Kollegen anlaufen. Wir dürfen nicht vergessen, daß in der Praxis der Ärztin noch eine Tote liegt.«
»Ja, die Killerin.«
»Sie stand voll unter der Kontrolle des längst verstorbenen Königs, und wie sie ums Leben kam, war schrecklich. Ich möchte nicht sehen, daß mit Johns Vater das gleiche geschieht.«
»Stimmt.«
»Gut, Sir. Ich kann Sie im Büro erreichen?«
»Ja, ich werde die Nacht ebenfalls dort verbringen. Wir hören dann wieder voneinander.«
»Ja, Sir.«
Suko legte auf. Das Gespräch hatte ihm gutgetan, aber seine Stimmung hatte sich kaum gebessert. Wenn er daran dachte, daß beide Sinclairs noch beerdigt werden mußten, dann wurde ihm noch mulmiger.
Schon jetzt malte er sich aus, wie es sein würde, wenn sie an den Gräbern standen und…
Nein, nein, nur die Gedanken nicht abschweifen lassen. Die Gegenwart war jetzt wichtig, die Zukunft hatte noch Zeit. Zum Glück öffnete sich die Tür, und Terence Bull kehrte zurück. Er hatte gleich einen Kasten mit Wasser besorgt. Neben dem Schreibtisch stellte er ihn ab und nickte Suko zu. »Ich hoffe, daß es
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