1007 - Totenwache
möchte Sie deshalb fragen, ob Sie hier im Haus ein Werkzeug haben, mit dem wir uns befreien können?«
Der Pfarrer staunte nur. »Eine Stahlsäge?« fragte er dann.
»Zum Beispiel.«
»Nein, die habe ich nicht. So etwas hätte ich doch nie nötig gehabt.«
Suko lächelte ihm zu. »Es war auch nur eine Frage. Vergessen Sie die Worte.«
»Ich gehe da nicht weg, Mister«, flüsterte der Geistliche. »Ich bin froh, wenn ich sie nicht mehr sehe. Und ich werde mich auch hüten, Hilfe zu holen. Was haben wir denn hier für eine Polizei? Die anderen sind in der Überzahl.«
»Da haben Sie recht«, sagte Suko, der dabei an Terence Bull denken mußte. Er war ein rechtschaffener Beamter und tat seine Pflicht.
Er hatte Suko auch gut zur Seite gestanden, aber gegen diese Feinde anzukämpfen, war nicht drin.
»Trotzdem werde ich Sie verlassen«, erklärte Suko.
Dem Geistlichen blieb der Mund offenstehen. Er konnte es nicht fassen. »Mit dem Stuhl?« flüsterte er dann.
»Ja, auch mit ihm. Aber nicht so, wie wir ihn jetzt beide hier sehen. Ich werde es mir etwas leichter machen.« Suko kippte den Stuhl zur Seite, hielt ihn auch in dieser Schräglage und trat dann heftig mit dem rechten Fuß gegen zwei Holzbeine. Er mußte einige Male zutreten, dann erst hörte er das Knacken, dann brach das Holz, und Suko konnte sich die Sitzfläche vornehmen. Auch sie wurde mit einigen wuchtigen Tritten regelrecht zerhackt.
Der Pfarrer schaute zwar zu, aber er befürchtete wohl, daß die Vermummten den Lärm gehört hatten.
Schließlich war nur mehr die Stuhlseite übrig, an der die Handschelle hing.
Auch wenn die Kopfschmerzen dadurch schlimmer geworden waren, Suko gab nicht auf. Er befreite sich auch davon. Letztendlich hing an seiner linken Hand nur mehr die Schelle.
»Dilettantisch gemacht«, flüsterte er vor sich hin und schüttelte den Kopf. »Sie scheinen wohl mit einem größeren Widerstand nicht gerechnet zu haben.«
»Das hätte ich nicht geschafft«, gab der Geistliche zu. Seine Angst hatte er noch nicht überwunden. »Wollen Sie wirklich gehen?«
»Was dachten Sie denn?«
»Aber die Männer sind gefährlich. Die schrecken bestimmt vor nichts zurück.«
»Mag sein, aber auch ich lasse mir die Butter nicht vom Brot nehmen.«
»Man hat Ihnen Ihre Waffe abgenommen.«
»Die hole ich mir wieder.«
Der Pfarrer schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Nein, das kann ich nicht fassen. Es ist doch alles…«
»Bleiben Sie hier und rühren Sie sich nicht von Ihrem Platz weg«, erklärte Suko. »Alles andere übernehme ich. Können wir uns darauf einigen?«
»Was bleibt mir denn übrig?«
»Eben.«
Suko drehte sich mit einer vorsichtigen Bewegung. Er war noch längst nicht okay, aber er hatte es auch gelernt, auf die Zähne zu beißen und sich durchzusetzen. So leicht ließ er sich jedenfalls nicht abschreiben. Da mußten schon andere kommen.
Erst jenseits des Zimmers, im kleinen Flur, gab Suko sich so, wie er sich fühlte. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und schloß die Augen. Es war wichtig, daß er sein Gleichgewicht zurückfand und die verdammte Schwäche zurückdrängte.
Es klappte.
Er sah die Tür als einen dunklen Umriß. Ob die Vermummten vorn am Haus einen Wachtposten aufgestellt hatten, wußte der Inspektor nicht. Dementsprechend vorsichtig verhielt er sich und schaute zunächst einmal durch das kleine Fenster neben der Tür.
Viel zu sehen war nicht. Die Treppe mit den drei Stufen verschwamm selbst auf diese kurze Distanz. In der Nähe standen Büsche, die selbst in der Dunkelheit noch Schatten zu Boden warfen.
Ihre Zweige bewegten sich und hinterließen ein tanzendes Muster.
Ein Wächter war nicht zu sehen. Auch niemand, der eine Fackel trug und dabei die Umgebung ausleuchtete. Der Schein zauberte weiter hinten den Friedhof in rötliches Licht. Über dem Boden schwebte er, wo er sich hin und wieder zuckend bewegte. Suko ging davon aus, daß sich die Vermummten in der Nähe des Leichenhauses aufhielten.
Er ging das Risiko ein und öffnete die Tür, die nicht abgeschlossen war. Den freien Kreis der Handschelle hielt er fest. Er wollte auf keinen Fall, daß Stahl gegen Stahl klirrte und dabei verräterische Geräusche verursachte.
Die Typen hatten ihn einfach unterschätzt. Er war eben besser und auch härter. Daß sie ihn möglicherweise mit dem Pfarrer verglichen hatten, kam ihm jetzt zugute. Aber es gab eben Menschen mit einem Schädel wie aus Eisen. Und Suko gehörte dazu.
Für
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