Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1007 - Totenwache

1007 - Totenwache

Titel: 1007 - Totenwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
Sie lag noch immer da, als Leiche, aber mein Vater stand auf seinen eigenen Beinen, gestützt von der magischen Kraft Lalibelas.
    Crady persönlich öffnete die Tür. Kühle Grabluft wehte in die Leichenhalle. Erst als sie mein Gesicht erwischte, merkte ich, wie verschwitzt ich war. Ich wußte, daß etwas Schreckliches auf mich zukommen würde. Wahrscheinlich das Schrecklichste meines ganzen Lebens.
    Ich zitterte schon jetzt davor, aber ich konnte es auch nicht ändern.
    Crady verschwand als erster nach draußen. Gefolgt von seinen Männern. Suko bildete den Schluß. Er drehte sich nicht um. Er mußte die Leute unter Kontrolle halten.
    Sie gingen.
    Auch Suko.
    Dann fiel die Tür zu.
    Der Laut, mit dem sie ins Schloß schnappte, ließ mich zusammenzucken.
    Jetzt war ich wieder mit meinen Eltern allein!
    ***
    Stille – Grabesstille. Eine Ruhe, wie sie nur selten vorkam. Ich stand auf dem Fleck und traute mich kaum, Luft zu holen.
    Aber in meiner Brust klopfte das Herz. Es war kein normales Schlagen, eher ein wilder Trommelwirbel, der mir persönlich Schmerzen zufügte. Mein Gesicht hatte sich verzerrt. Es war nur mehr eine Maske, die meine eigene Furcht wiedergab. Ich spürte die kalte Haut überall am Körper, aber ich merkte auch etwas von der Hitze, die mich zugleich durchströmte. Ein Wechselbad der Gefühle, aber ich hätte sie nicht in Worte kleiden können.
    Über den offenen Sarg meiner Mutter hinweg schaute ich Horace F. Sinclair an.
    Noch immer überlegte ich, ob er tatsächlich mein Vater war oder jemand anderer. Ich kam einfach nicht damit zurecht. Ich konnte mir diese Figur nicht als meinen Vater vorstellen. Ein in ein Leichentuch gewickelter Körper, der mit einem Totenschädel verwachsen war.
    Das war einfach nicht zu glauben.
    Abgesehen von den Augenhöhlen, die hätten leer sein müssen, es aber nicht waren.
    Die Kerzen brannten so weit von uns entfernt, daß sich ihr Widerschein nicht in den Augen spiegelte. Dennoch hatten die Augen einen ungewöhnlichen Glanz, als wäre das Innere dieser Person damit angefüllt worden. Irgendwo paßte es auch. Es war eben die andere Kraft aus dem späten Mittelalter, die sich bis heute gehalten hatte.
    Eine Botschaft hatte ich schon empfangen. Ich war Vater und Sohn zugleich. Nur konnte ich damit wenig anfangen, das war einfach noch zu hoch für mich. Ich hoffte darauf, daß es eine andere Möglichkeit gab, mit diesem Wesen Kontakt aufzunehmen.
    Mein Vater bewegte sich nicht. Er hatte sich nach dem Verlassen der Vermummten überhaupt nicht von der Stelle gerührt, sondern stand einfach nur da, wie jemand, der auf ein bestimmtes Ereignis wartet, das unweigerlich eintraf.
    Ich wechselte die Beretta zuerst in die linke Hand, deren Innenseite ebenso schweißfeucht war wie die der rechten. Dann steckte ich die Waffe weg.
    Ein Teil dieser Gestalt war noch immer mein Vater, und ich schämte mich irgendwo, ihn mit der Waffe zu bedrohen. Deshalb trat ich ihm praktisch unbewaffnet gegenüber, um zunächst auf eine normale Art und Weise Kontakt aufzunehmen.
    Ich wollte wissen, ob er reden konnte und fragte ihn deshalb:
    »Kannst du sprechen? Hörst du mich?«
    Keine Antwort. Das lippenlose Knochenmaul bewegte sich nicht.
    Vielleicht stand die Antwort in den Augen zu lesen, aber auch dort veränderte sich nichts.
    Er blieb still.
    Ich versuchte es anders und streckte ihm meine rechte Hand entgegen. Dabei war ich von ihm noch zu weit entfernt, als daß ich ihn würde berühren können. Ich hoffte auf eine Geste seinerseits, die mir ein Entgegenkommen bewies.
    Auch das tat er nicht.
    Es oblag mir, etwas zu unternehmen. Nur wußte ich nicht, was ich da tun sollte. Ich konnte ihn doch nicht wieder zurück in eine normale Leiche verwandeln.
    Oder doch?
    Vielleicht half mir das Kreuz dabei. Es war Schutz und Waffe zugleich. Wie es auf meinen Vater reagieren würde, war mir unbekannt. Ich wußte auch nicht, über welche Kraft der Geist König Lalibelas verfügte. Alles konnte klappen, konnte gutgehen, aber auch das Gegenteil war möglich, und davor fürchtete ich mich.
    Mein Rücken war so kalt. Die Haut angespannt. Die Haare würden mir zu Berge stehen, wenn ich noch etwas anderes tat. Das alles fuhr mir durch den Kopf. Es waren einfach wirre Gedanken, die in keinem Zusammenhang standen.
    Meine rechte Hand bewegte sich wie immer. Ein reiner Automatismus. Ich dachte für einen Moment daran, wie oft ich das Kreuz schon hervorgeholt hatte, aber nicht wie in diesem Augenblick. Hier war

Weitere Kostenlose Bücher