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101 - Das Narbengesicht

101 - Das Narbengesicht

Titel: 101 - Das Narbengesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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Tomoe!" rief ich. „Versteck dein Gesicht, sonst wirst du auch eine Mujina!"
    Der Mönch taumelte blind in der Hütte umher. Er riß den Kohleeimer um, stolperte gegen den Herd und verbrühte sich am kochend heißen Teewasser. Mit beiden Händen umklammerte er seinen Kopf. Er konnte nichts mehr hören, nichts mehr sehen und nichts mehr riechen.
    Erleichtert setzte ich die Eisenmaske wieder auf.
    Als ich ihn in der Tür stehen sah, versetzte ich ihm den Todesstoß. Mein Schwert berührte ihn - und drang wie durch einen Nebel hindurch. Die grünen Giftschwaden trieben ins Freie. Jetzt löste sich der Körper des Mönches auf. Ein geheimnisvolles Säuseln erfüllte die Luft, und das Wimmern des Mannes verklang. Der Sturm riß ein nebelhaftes Gebilde mit sich. Hoch über der Hütte verfestigten sich seine Umrisse, und ich erkannte einen Drachen, wie er auf vielen chinesischen Vasen abgebildet war.
    Hatte ich mit einem Geist gekämpft? Oder war der Mönch ein Wesen aus dem Schattenreich, das jede beliebige. Gestalt annehmen konnte?
    Jedenfalls hatte ich ihn besiegt, und das erfüllte mich mit Stolz.
    Tomoe saß weinend in der Hütte.
    „Du hast nichts mehr zu befürchten", tröstete ich sie. „Der Bote des Unheils hat sich in Rauch aufgelöst."
    Die beiden Männer, die einmal meine Freunde gewesen waren, lagen jetzt verkrümmt im Schnee.
    Sie bewegten sich nicht mehr. Das Verschwinden des Mönchs hatte sie endlich zur Ruhe kommen lassen.
    Ich leerte einen Ölbehälter über ihnen aus. Dann schichtete ich um sie und über ihnen Brennholz auf. Schließlich warf ich einen brennenden Holzscheit dazwischen. Der Wind blies kräftig und entfachte die Glut in kurzer Zeit. Bei Sonnenaufgang würde nur noch ein dunkler Brandfleck an die Schrecken der vergangenen Nacht erinnern.
    Tomoe sah mich traurig an. Ihre Augen waren tränengerötet.
    „Du brauchst keine Angst mehr zu haben, Tomoe."
    „Was macht es schon für einen Unterschied", sagte sie, „ob ich die Sklavin des Drachenmönches bin oder deine Wünsche erfülle?"
    „Das sind harte Worte, Tomoe. Ich bin einen langen Weg geritten, um dich wiederzusehen. Ich habe den Auftrag meines Daimyos vernachlässigt. Du weißt, was das bedeutet.."
    Ihre Mandelaugen funkelten trotzig.
    „Du hast mich entführt, und du hast Hoichi ins Unglück getrieben. Das werde ich dir niemals verzeihen. "
    „Ich hin der Schwarze Samurai", erwiderte ich hart. „Mein Wunsch ist Befehl."
    Sie lachte.
    „Wie kann man Liebe befehlen, Tomotada? Die Liebe gleicht dem Mond. Nimmt sie nicht zu, so muß sie abnehmen."
    Ich nahm meine Schärpe ab und legte das Schwert neben ihre Lagerstatt. Zuletzt fiel mein schwarzes Gewand. Ich reichte ihr die Teeschale, doch sie wehrte ab. Sie weinte nicht mehr, denn sie kannte ihr Schicksal. Sie würde die Mutter eines Kindes sein, dessen Vater ich war.
    Während der ganzen Nacht sah ich ihr Gesicht kein einziges Mal. Sie blieb stumm. Nur der heulende Sturm erinnerte mich an die Welt. Ich liebte Tomoe, doch meine Liebe war mit dämonischen Gefühlen gepaart. Ich war der Sohn einer Mujina, und dieses Erbe würde mich nie verlassen. Ich würde ewig unzufrieden sein - und ich würde niemals echte Freunde gewinnen. Das einzige, worauf ich mich verlassen konnte, war das Tomokirimaru.
    Als die Morgenröte über die verschneiten Hügel kroch, verließ ich Tomoe. Der eisige Wind ließ die Tränen auf ihren Wangen gefrieren. Tomoes letzte Worte waren ohne Haß und ohne Gefühl.
    „Großer Schmerz wartet auf dich. Du wirst kämpfen und siegen, doch du wirst niemals Ruhe finden. Glück und Zufriedenheit werden unbekannte Worte für dich sein. Geh, und komm niemals wieder."

    Das Schloß des Drachenfürsten stand am Ufer eines großen Sees. Das Wasser fror selbst beim stärksten Frost nicht zu. Die Wintersonne spiegelte sich in den düsteren Fluten. Ab und zu schallte das Krächzen hungriger Krähen über das Wasser.
    „Der Daimyo hält nichts von fremden Besuchern", murmelte Sumitodo und deutete auf die zahlreichen Hinrichtungspfähle, die den Weg zum Schloß säumten.
    „Vielleicht will er damit ungebetene Besucher abschrecken", erwiderte ich. „Wir haben lange kein Dorf und keine Stadt gesehen. Der Drachenfürst lebt in der Bergeinsamkeit. Nur die Totenvögel sind seine Gäste."
    Der Weg zum Schloß war ein einziger Pfad des Grauens.
    Die Toten hingen an Würgepfählen, und sie kauerten in eisernen Hungerkörben. Oder ihre traurigen Überreste lagen in den großen

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