101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)
Königssohn .
«Einverstanden», sagte der.
«W o wohnt denn dieser Ifrit?», erkundigte sich nun der Königssohn.
«In einem Schloss hinter diesem Hügel», entgegnete er.
«Gott möge es dir mit Gutem vergelten», bedankte er sich.
Der Hirte gab ihm zu essen, so viel er brauchte, und er blieb den Rest des Tages bei ihm. Dann begab sich der Hirte zu dem Schloss und sprach mit dem Mädchen. «Herrin», sagte er, «bei mir ist ein Mensch abgestiegen, ein junger Mann mit schönem Gesicht, wohl auch ein Schafhirte wie ich.»
«Bring ihn zu mir», verlangte sie. Und es verging kaum ein Stündchen, da erschien der Hirte wieder, und mit ihm der Königssohn.
Sowie er bei dem Mädchen eintrat , erkannte sie ihn auf den ersten Blick. «W er hat dir gesagt, dass ich hier bin?», freute sie sich.
«Der Hirte hat es mir gesagt», entgegnete er, «und jetzt erzähle du mir, wie es dir ergangen ist.»
«Ich kann mich an nichts erinnern», sagte sie. «Ich weiß nur noch, dass ich neben dir eingeschlafen war. Und als ich meine Augen wieder aufschlug, befand ich mich hier in diesem Schloss.»
So sprach er gerade mit ihr und sie mit ihm, als plötzlich der Ifrit erschien. Er war gekommen in Gestalt eines Lindwurms, der die ganze Erde verschlang und aus dessen riesenhaftem Maul Feuerzungen schlugen.
An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad , und sie verstummte. Der König erhob sich, entzückt von ihrer spannenden Geschichte, verschloss die Tür und versiegelte sie mit seinem Siegel. Dann begab er sich in seine Regierungsgemächer.
Die zwölfte Nacht
So spricht Faharâyis, der Philosoph:
Und in der folgenden Nacht kam der König, brach das Siegel auf und schlief mit dem Mädchen bis zu der bewussten Zeit.
Da rief ihre Schwester Danisad ihr zu: ~ Ach, meine Schwester! Ach, Schahrasad, erzähle doch unserem Herrn, dem König, deine schönen Geschichten!
~ Einverstanden, mein Gebieter, erwiderte sie. ~ Und so geht die Geschichte weiter:
Als sie den Ifrit kommen sah, versteckte sie schnell den Königssohn im Inneren des Schlosses und begann, einen Plan auszuhecken, um den Ifrit zu töten. Der Ifrit kam näher, und sie trat ihm entgegen, um ihn zu empfangen, und bemerkte, dass er blutüberströmt war. «W as ist dir zugestoßen?», fragte das Mädchen und setzte hinzu: «Meine eigene Seele würde ich für dich zum Pfand geben!»
«Lass mich in Ruhe!», knurrte er. «Ich habe heute mit dem Zauberer der Dschinnen gekämpft, und er hat mir diese Wunde beigebracht. Er wollte wohl seinen stärksten Zauber an mir beweisen. Er hat mich fast umgebracht!»
«W elche Arznei soll ich dir bereiten?», fragte sie.
«Mach dir um mich keine Sorgen», entgegnete er. «Ich werde nicht zu Tode kommen, es sei denn durch ein Messer aus Rohr, und diese Sorte Rohr wächst nur hier auf meinem Land.»
«Gott sei Dank», gab sie zurück und ließ ihn allein.
Am folgenden Tag zog der Ifrit schon wieder ins Feld. Er bestieg einen Löwen, schnallte sich zwei Schwerter um und ritt hinaus in die Wüste. Sowie er fort war, wandte sich das Mädchen an den Königssohn und sprach zu ihm: «Nimm dieses Schwert und schlage damit den Hirten tot, aber töte ihn nicht eher, als bis er dir gezeigt hat, wo das Rohr wächst. Denn er kennt sich auf dem hiesigen Land aus.»
Er zog also los , bis er zu dem Hirten gelangte, fragte diesen nach dem Rohr, und der Hirte verriet ihm, wo es wuchs. Anschließend erhob der Königssohn das Schwert gegen ihn und schlug ihn tot. Dann begab er sich zu dem Ort, wo das Rohr wuchs, fand es dort auch stehen und machte ein Messer daraus. Mit dem Messer kehrte er zu dem Mädchen zurück, und sie versteckte ihn wieder an einem geheimen Ort.
Mit Einbruch der Nacht kehrte der Ifrit zurück. Sie sah ihn auf dem Löwen reiten und einen Lindwurm hinter sich herziehen. Wieder war er blutüberströmt. Sie trat hinaus, um ihn zu begrüßen.
«Diesmal bin ich tödlich getroffen. Ich werde ganz sicher sterben», stöhnte er.
Sie redete ihm zu, so gut sie konnte.
Schließlich kam er ins Schloss, schlachtete den Löwen, briet ihn über dem Feuer und aß ihn ganz auf. Dazu goss er sich Wein ein und betrank sich.
Als er nun betrunken war, rief das Mädchen den Königssohn herbei. «Jetzt töte ihn!», forderte sie ihn auf, und er nahm das Messer und bohrte es in eine seiner Wunden, so dass er auf der Stelle starb.
Am anderen Morgen packte der Königssohn alle Schätze des Schlosses zusammen, die leicht an Gewicht, aber
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