101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)
schwer an Wert waren, und lud alles auf Kamele. Dann stieg das Mädchen aufs Pferd, auch er bestieg sein Reittier, und sie machten sich auf den Weg und durchquerten das Land in seiner Weite und Breite, bis sie nahe an die Stadt seines Vaters herangekommen waren. Von dort sandte er einen Boten zu seinem Vater, und sogleich kam sein Vater aus der Stadt und bereitete ihm einen festlichen Empfang. Auch dem Vater des Mädchens schickte er einen Boten, und der kam herbei, worauf er ihm die ganze Geschichte erzählen konnte. Zuvor hatte er auch ihnen festliche Paraden zum Empfang veranstaltet. Schließlich vereinigte sich der Königssohn mit dem Mädchen, und die beiden lebten vergnügt, aßen und tranken sich satt an den köstlichsten Speisen und Getränken, bis das sichere Ende sie ereilte.
Die Geschichte von der Kampferinsel
~ Die Leute behaupten, o König, fuhr sie fort zu erzählen, ~ dass der Perserkönig Schapur Ibn Kisra, den man unter dem Namen Anuschirwân kennt, eines Tages mit seinen Wesiren und seinem Hofstaat im obersten Gemach seines Palasts saß, als er auf einmal in der Wüste eine Staubwolke bemerkte. Er schaute genau hin und sah unter dem Staub einen Ritter gleich einem furchterregenden Berg oder dem allumfassenden Meer auftauchen.
Der Ritter kam mit ungeheurer Schnelligkeit auf das Palasttor zu. Sobald er davorstand, rief er mit seiner lautesten Stimme: «Ich habe einen wichtigen Rat für den König!» Der König befahl, ihn hereinzulassen. Es war ein alter Mann, gezeichnet von den Zeiten und Schicksalsschlägen, die schon an ihm vorübergegangen waren.
An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad , und sie verstummte. Der König erhob sich, entzückt von ihrer spannenden Geschichte, verschloss die Tür, versiegelte sie mit seinem Siegel und begab sich in seine Regierungsgemächer.
Die dreizehnte Nacht
So spricht Faharâyis, der Philosoph:
Und in der folgenden Nacht kam der König, brach das Siegel auf und schlief mit dem Mädchen bis zu der bewussten Zeit.
Da rief ihre Schwester Danisad ihr zu: ~ Ach, meine Schwester! Ach, Schahrasad, erzähle doch unserem Herrn, dem König, deine schönen Geschichten!
~ Einverstanden, erwiderte sie. ~ Und so, mein Gebieter, geht die Geschichte weiter:
Der Scheich trat also zum König herein und ergriff sogleich das Wort. «Ich bin durch die ganze Welt gereist», sagte er. «Die Länder Sind und Hind habe ich gesehen, China und Palästina. Mein Name ist Siâd Ibn Imlâk der Jüngere, und ich bin dreihundert Jahre alt. Ich habe keine einzige Insel des Meeres hinter mir gelassen, ohne sie betreten zu haben. Folgendes will ich dir sagen, mein Gebieter: Während ich durch die Länder reiste und zur See unterwegs war, unaufhörlich von einem Ort zum anderen zog und von einer Insel zur nächsten, gelangte ich schließlich nach China und dort in eine Stadt mit Namen al-Barka. Als wir uns dieser Stadt näherten, kamen uns ihre Bewohner schon mit Keulen, Schwertern und Lanzen entgegen. In der Stadt war ein ungeheurer Lärm zu vernehmen. Wir standen starr vor Schreck. Außer der Stadt selbst gab es keinen Ort, der uns Zuflucht geboten hätte. Der König der Stadt aber hieß Chamdân. Wir bewegten uns also auf die Stadt zu und stiegen von den Pferden. Sogleich wurden wir aufgegriffen und vor den König geführt. Wir betraten einen Palast, den keine Beschreibung je erfassen könnte. Endlos schien mir der Weg, den ich in Begleitung eines Kammerherrn durch die Palastanlage ging. Schließlich kamen wir an ein großes Schlosstor. Wir traten hindurch und befanden uns auf dem kreisrunden Schlosshof. Ich betrachtete das Schloss. Seine Mauern waren hoch gebaut und mit starken Pfeilern gestützt. Inmitten der Schlossanlage gab es Früchte und Bäume. Flüsse flossen hindurch, an deren Ufern Nelken, Safran und Kardamom wuchsen, und kleine goldene Kanäle durchzogen die Gärten. In der Mitte des Schlossparks aber stand ein Pavillon aus rötlichem Gold, und auf seiner Spitze saß ein rotgoldener Pfau mit Augen aus Rubinen und Beinen aus grünem Smaragd und mit allerlei Edelsteinen besetzt.»
Der Scheich fuhr fort zu erzählen: «Dann ließ mich der Kammerherr allein. Er begab sich in den Regierungssaal und bat den König meinetwegen um Erlaubnis. Und der befahl, dass ich vorgelassen würde. Ich trat ein und sah den König auf seinem Thron sitzen, zu seiner Rechten zwanzig Mädchen, und zu seiner Linken noch einmal so viele. Auf dem Haupt des Königs prangte eine Krone,
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