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101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)

101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition)

Titel: 101 Nacht: Aus dem Arabischen erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott nach der Handschrift des Aga Khan Museums (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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einsamer Vagabund, von meinem Stamm verstoßen. Abends hier, morgens dort, das ist mein Leben.»
    Da luden sie ihn zu sich ein. «Steig ab und bleib bei uns», forderten sie ihn auf, «iss von unseren Speisen und trinke mit von dem, was wir trinken, so lange, bis Gott entschieden hat, was geschehen soll.»
    Der Königssohn saß ab , band sein Pferd an und setzte sich zu ihnen. Sie begannen sich zu unterhalten und waren gerade in ihr Gespräch vertieft, als plötzlich ein Getöse zu hören war, von dem das Schloss und das ganze Wadi widerhallten. Sie traten aus dem Zelteingang ins Freie – und siehe da! Das Schlosstor hatte sich aufgetan, und ein Ritter gleich einem furchterregenden Berg oder dem wogenden Meer war herausgekommen. Graues Eisen und ein vergoldetes Ringpanzerhemd umhüllten ihn wie ein Leichentuch. Über ihn hat der Dichter die Verse gesprochen:
    [ Kâmil ]
    «Schwer bewaffnet trifft er auf die Helden, als wäre er
    Ein Licht, das in der Finsternis funkend Feuer fing.
    In seiner eisernen Rüstung glich er einem Mond
    Und wetteiferte mit jedem Licht, das am Himmel hing.»
    Er berichtet weiter:
    Und schon stand er mitten auf dem Platz. «W ill jemand gegen mich antreten?», brüllte er.
    Da trat einer der Brüder gegen ihn an, und er tötete ihn, darauf den nächsten, bis er sechs von ihnen getötet hatte. Nur noch der jüngste Bruder war übrig. Aucher schickte sich nun an, auf den Kampfplatz zu treten, doch der Königssohn hielt ihn zurück. «Halt! Gemach, mein Söhnchen!», sagte er zu ihm. «Du bist doch noch ein kleiner Junge und hast keine Erfahrung mit solchen Dingen!» Mit diesen Worten legte der Königssohn seine Rüstung an, verschleierte sein Gesicht, setzte sich auf seinem Pferd zurecht und stieß einen Kampfschrei gegen den Ritter aus. Die beiden gingen aufeinander los und kämpften lange. Bis zum Einbruch der Nacht wurde ihr Streit immer heftiger, und als es vollends dunkel geworden war zwischen ihnen, trennten sie sich friedlich.
    An dieser Stelle unterbrach das Morgengrauen Schahrasad , und sie verstummte. Der König erhob sich, entzückt von ihrer spannenden Geschichte, verschloss die Tür, versiegelte sie mit seinem Siegel und begab sich in seine Regierungsgemächer.
    Die zwanzigste Nacht

    Und in der folgenden Nacht kam der König, brach das Siegel auf und schlief mit dem Mädchen bis zu der bewussten Zeit.
    Da rief ihre Schwester ihr zu: ~ Ach, meine Schwester! Ach, Schahrasad, erzähle doch unserem Herrn, dem König, deine schönen Geschichten!
    ~ Einverstanden, erwiderte sie. ~ Und so, mein Gebieter, geht die Geschichte weiter:
    Als es vollends dunkel geworden war zwischen ihnen, kehrte der Recke in sein Schloss zurück, der Königssohn aber in das Zelt, in dem der kleine Junge war. Er traf ihn weinend an und mit gebrochenem Herzen.
    «Bei Gott, dem Spalter von Korn und Kernen!», schwor der Königssohn . «Ich werde dich rächen und Schande und Erniedrigung von dir nehmen!» Dann schlief er ein. Er erwachte nicht eher, als bis er das Getrappel von Pferdehufen hörte. Erschrocken sprang er auf, stürzte zum Zelteingang und fand dort den Jungen niedergemetzelt liegen. Schon erfüllte Klagegeheul die ganze Gegend.
    Der Königssohn war fassungslos vor Entsetzen. Sofort stieg er aufs Pferd, ergriff mit der Hand das Heft seines Schwertes und ritt hinaus. Dort stieß er auf den Recken, dem das Schloss gehörte. «Schläft jemand, der Blutrache nehmen will, etwa ein und ruht sich aus?», spottete der und fuhr fort: «Ich schwöre bei allem, worauf Helden schwören, dass du, solange du lebst, geschmäht und verachtet werden wirst. Aber jetzt steig aufs Pferd und öffne dem Kampf die Tür. Ich schwöre beim Herrn der Herren: Ich werde dir einen Kampf liefern, von dem sogar ein schwarz gelocktes Mädchen graue Haare bekäme!»
    Nun stieg der Königssohn auf sein Pferd, und die beiden sprengten aufeinander los. Eine ganze Stunde lang war nichts anderes zu hören als Hiebe, die auf Helme trafen. Das klang wie Hammerschläge auf Eisenstücken in der Schmiede. Bis zum Mittag ging das so.
    Dann endlich fand der Königssohn eine günstige Gelegenheit, den Recken zu treffen. Er stürzte sich auf ihn, wie sich der Adler aus den Wolken auf seine Beute hinabstürzt, packte ihn mit der Hand bei der Hüfte und zog ihn aus seinem Sattel, so als wäre er ein Singvogel in den Krallen eines Adlers. Dann schüttelte er ihn und beutelte ihn rechtsherum und linksherum und wieder nach rechts, bis ihm der Turban

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