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1016 - Der Narr aus Venedig

1016 - Der Narr aus Venedig

Titel: 1016 - Der Narr aus Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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achtgab.
    Da irrte sich der Spieler. Zudem war ich kein Mensch, der zurückging. Ich würde die Dinge durchstehen, das stand fest, und ich wollte die Möbelstücke auch untersuchen.
    Mich interessierten die beiden Schränke. Sie waren unterschiedlich groß. Der eine reichte beinahe bis an die Decke heran. Seine mächtige Doppeltür zeigte mosaikartige Schnitzereien, und ich sah auch noch den Schlüssel darin stecken.
    Ich drehte ihn, öffnete die Tür - und trat zurück, weil ich kein Ziel bieten wollte.
    Der Schrank war leer.
    Nichts mehr zu sehen. Staub auf dem Boden. Ein muffiger Geruch stieg mir in die Nase, und erst jetzt fiel mir auf, daß ich das Klingeln nicht mehr hörte.
    Für einige Sekunden hielt ich mich in der Stille auf, die dann zerbrach, als ich die Tür wieder zuzog und den dabei entstehenden Schleifgeräuschen lauschte.
    Dann war das Klingeln wieder da. Diesmal hinter mir.
    Sehr dicht sogar, so daß ich mich gezwungen sah, mich zu drehen. Dabei trat ich einen kleinen Schritt zur Seite, was möglicherweise mein Glück war, denn von der offenen Tür her starrte mich jemand an, der bewaffnet war.
    Ein kleiner Mensch. Ein Mann mit einem Buckel. Mit einer roten Mütze auf dem Kopf, an der zahlreiche Schellen hingen. Sie bildeten die Enden der langen Zipfel. Die Gestalt war nicht groß. Sie war eingehüllt in einen blauen langen Mantel. Von ihrem Körper war nur das Gesicht zu sehen, das auf mich wie eine bleiche hölzerne Maske wirkte. Versehen mit einer langen, kantigen Nase, mit großen, dunklen Augen und eingefallenen Wangen. Hinzu kam der breite Mund, der bösartig verzogen war.
    Aber ich sah noch mehr.
    In der rechten Hand hielt diese Gestalt einen Krummdolch mit langer Klinge.
    Ich hatte nicht mit diesem Anblick gerechnet und war dementsprechend überrascht. Der Narr nicht.
    Ja, es war ein Narr. Plötzlich baute sich in meinem Kopf diese Verbindung zu Venedig auf, zu der Oper Rigoletto, in der ebenfalls ein Dolch eine große Rolle spielte, in der ebenfalls Blut fließt, und ich sah die Färbung unten an der Klingenspitze. Rötlich und verschmiert.
    Wir standen uns gegenüber. Niemand rührte sich. Ich überlegte, ob ich auf die Gestalt zugehen sollte oder nicht. An den Zipfelenden schimmerten die kleinen, goldenen Glocken, deren Klöppel sich jetzt nicht bewegten, weil die Gestalt völlig ruhig in der Türöffnung stand.
    Für mich war sie der Killer. Dieses Messer hatte die beiden Kater zerstückelt, und es würde auch dazu geschaffen sein, Menschen zu töten.
    Mir kam die Gestalt vor, als hätte ich sie durch mein Erscheinen gestört. Sie traute sich einen schnellen Angriff noch nicht zu. So beschloß ich, die Chance zu nutzen.
    »Wer bist du?« Ich hatte ihn auf italienisch angesprochen, und in seinen Augen zuckte es.
    Ich ging vor. »Wer?«
    »Rache!« hörte ich eine Stimme, begleitet von dem leisen Klingeln der Glocken, weil er wieder seinen Kopf bewegte. »Rache für meinen Tod! Rache für den Tod…«
    Dann sprang er mit einem Satz zurück. Er bewegte sich so heftig, daß die Enden der Mütze in die Höhe geschleudert wurden und das Klingeln nahezu schrill wurde.
    Ich setzte ihm nach - und spürte dort, wo ich hinfaßte und er vor kurzem noch gestanden hatte, ein Kribbeln, das über meine Hand lief und wieder verschwand.
    Ebenso wie der Narr!
    Mein Blick fiel in einen leeren Flur. Die Gestalt hatte sich einfach aufgelöst. Sie war untergetaucht, sie war verschwunden, und ich würde sie auch nicht mehr locken können.
    Ziemlich frustriert blieb ich stehen. Ich hätte an einen Traum denken können, aber es war leider keiner. Was ich erlebt hatte, war echt gewesen. Ein magisches Phänomen. Jemand, den es gab, obwohl es ihn vielleicht gar nicht geben durfte.
    Ich wußte auch nicht, ob diese Gestalt körperlich vorhanden gewesen war oder ob ich sie nur als Projektion gesehen hatte. Alles war möglich, hier waren wieder einmal gewisse Gesetze aufgehoben worden, so daß die andere Seite die Oberhand behalten konnte.
    Ich drehte mich noch einmal auf der Stelle. Dabei hörte ich das Klingeln der Schellen.
    Leise, sehr leise.
    Sich entfernend. Und wenn mich nicht alles täuschte, glaubte ich sogar, ein böses Lachen zu vernehmen.
    Er war der Killer.
    Er lebte hier.
    Und er würde Angela Morinelli keine Chance geben. Das war mir klar. Das hatte ich in seinen Augen gelesen, deren Ausdruck für sich gesprochen hatte. Er würde sich auch nicht von mir aufhalten lassen. Gestalten wie er räumten alles

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