1018 - Die Spur der irren Luna
stieß mich ab. Doch sie ließ sich nicht beirren. Sie klammerte sich fest, und sie war auch in der Lage, sich bemerkbar zu machen, denn ich hörte ihre Stimme in meiner Nähe.
»Sie hat uns geholt, Sinclair. Wir sind zu ihrem Opfer geworden. Sie wird uns auch weiterhin behalten, denn wir können ihr nicht entkommen. Die Sonne holt uns in die andere Welt, wo du gezeichnet werden wirst. Das Tor zum Reich des Satans ist durch sie geöffnet worden, John Sinclair, und nichts wird dir noch helfen. Ich weiß, daß du dich auf dein Kreuz verlassen hast, aber die Zeiten sind vorbei. Wir haben es geschafft, die Macht zu brechen. Hier in Gilwich Abbey und sogar im Zentrum, in Rom. Niemand wird sich unseren Angriffen mehr in den Weg stellen können, denn es gibt jemand, der sich auf unsere Seite gedrängt hat. Das bist du, Sinclair. Wenn wir diese Zwischenwelt der Sonne verlassen haben, wirst du aussehen wie ein Mensch, aber du wirst keiner mehr sein, dann haben dich die Kräfte der Sonne gezeichnet. Auch ich habe lange suchen müssen, um sie zu finden. Ich bin alten Spuren nachgegangen und entdeckte sie in dieser Tiefe, wo sie vor Urzeiten entstanden ist, um irgendwann von denjenigen gefunden zu werden, die nicht das sind, als das sie erscheinen. Die das Äußere eines Menschen zwar angenommen haben, tatsächlich aber so alt wie die Welt sind, als die Kämpfe noch anders liefen und die Zeiten allmählich begannen…«
Es war eine gute Erklärung. Ich hatte alles gehört. Ihre Worte hatten mich von meinem eigenen Schicksal abgelenkt, und plötzlich stand es glasklar vor meinen Augen.
Luna Limetti hatte die Sonne gesucht. Sie hatte eine Botschaft erhalten. Es gab einen Grund dafür, daß man sie dafür ausgesucht hatte. Richtig, äußerlich war sie ein Mensch, aber tatsächlich sah sie anders aus. Und dieses andere Aussehen war hinter dem ersten verborgen wie ein zweites Gesicht.
Sie war eine Kreatur der Finsternis!
Ich wußte Bescheid. Ich kannte diese schrecklichen Dämonen aus der Urzeit, die sich unter die Menschen gemischt hatten, um hin und wieder aufzutauchen. Sie wollten die anderen Zeiten zurückhaben, wo das Böse immer wieder seinen mächtigen Kampf ausgefochten und auch Siege davongetragen hatte.
Doch Luzifer hatte verloren. Er war gezwungen worden, sich zurückzuziehen. Somit hatte er die Kreaturen der Finsternis gleich mit sich gezogen.
Aber sie lauerten. Sie kehrten in einer menschlichen Verkleidung zurück, denn sie waren noch immer seine Helfer. Wie eben diese Frau vor mir, der neue Macht gegeben worden war, weil sie die Sonne Satans gefunden hatte.
Das Relikt aus der Urzeit!
Es wollte auch mich verändern. Es brannte auf mich nieder, ohne Hitze abzugeben. Es wollte mich übernehmen. Ich sollte ebenfalls zu einer Kreatur der Finsternis werden, denn die Sonne brannte das Menschliche aus dem Körper heraus, um dem Bösen freie Bahn zu lassen.
Ich hörte Luna lachen. Nein, nicht direkt. Es war mehr ein widerliches Kichern, bevor sie mich ansprach. »Ich spüre, wie du versuchst, dich gegen die neue und zugleich alte Kraft zu stemmen. Es hat keinen Sinn, wir sind stärker, denn ich bin nicht allein auf dieser Welt. Es gibt uns noch, doch mir war es vergönnt, die alte Sonne zu finden, die ebenfalls alle Zeiten überstanden hat.«
Ich wollte reden, ihr antworten, aber ich konnte nicht. Mein Körper war gefangengenommen worden. Zwar trug Luna Limetti das Kettenkleid, diesmal kam ich mir selbst vor, als hätte jemand Ketten um mich gewickelt, damit ich nicht mehr freikam.
Ihr Gesicht schwebte noch immer dicht vor meinem. Arme und Hände hielten mich fest. Sie starrte mich an. Die Farbe der Augen hatte sich verändert. Sie waren jetzt dunkel geworden, aber mit einem roten Schimmer.
»Es wird dir nicht gelingen, Sinclair. Gib deinen Widerstand auf, es ist besser. Gewöhne dich daran, daß du an meiner Seite bleibst. Nicht als Kreatur der Finsternis, dazu bist du nicht würdig genug, du wirst mich nur als von der Sonne Gezeichneter begleiten, und dabei wirst du dein altes Leben vergessen.«
Sie lachte.
Ich sah es. Aber mein Gesichtsfeld war bereits eingeschränkt. Vielleicht war ich auch nicht mehr ich selbst, so daß mir die andere Kraft Bilder vorgaukelte, die es in Wirklichkeit nicht gab.
Ich sah Luna entfernt von mir.
Dann rückte sie wieder näher.
Ihr Gesicht war in die Länge gezogen. Sie grinste. Ein breites Maul bekam ich zu sehen. Zähne schimmerten darin wie Nägel aus Stahl. Zeigte sie jetzt
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