1022 - Der Lockvogel
uns vor?«
»Das kann ich dir nicht sagen.«
»Man kann uns doch nicht hier krepieren lassen, verflucht noch mal. Was soll das denn?«
»Weiß ich nicht.«
»Und wer will, daß wir hier krepieren? Kannst du mir das sagen? Wer will es?«
»Die Frau.«
»Scheiße, die Frau. Ich habe keine Ahnung, wer dieses Weib ist. Warum hat man uns geholt?«
»Du mußt sie fragen.«
»Und man hat dich nicht vermißt?«
»Keine Ahnung.«
»Hast du Familie, Glenn?«
»Ja.«
»Dann wird man dich suchen. Vielleicht auch diesen Buddy.«
»Ach, hör auf. Und wenn schon. Wer soll uns denn hier finden? Weißt du, wo wir stecken? In einem Keller ohne Fenster mit einer beschissenen Luft, meinetwegen auch in einer alten Waschküche, aber das ist alles. Ich weiß nicht, wer hier nachschauen würde. Weiß ich wirklich nicht, Eddie. So gehen wir vor die Hunde.«
»Nein!« Eddie hatte das Wort geschrien. Er konnte einfach nicht so denken wie sein Leidensgenosse.
»Was hast du?«
»Ich will es nicht wahrhaben, verdammt noch mal. Ich glaube einfach nicht daran. Wer sperrt schon Menschen ein, frage ich dich?«
»Das mußt du die Blonde fragen.«
»Ja. Und dann?«
»Keine Ahnung.«
Eddie schüttelte den Kopf. Er ließ es sehr bald bleiben, weil die Schmerzen zu stark waren. »Da muß es noch etwas anderes geben. Das hier muß einen Grund haben, verflucht. Was hat jemand davon, wenn er drei Männer gefangennimmt, sie in einen Keller sperrt und darauf wartet, daß sie krepieren? Kannst du mir eine Antwort geben? Was hat man davon, verflucht noch mal?«
»Darüber habe ich auch nachgedacht, es aber wieder aufgegeben, denn es lohnt sich nicht.«
»Gut, Glenn, du bist länger hier als ich. Aber ich habe mein Feuerzeug. Ich schaue mich um.«
»Und dann?«
»Kann doch sein, daß ich was finde.«
»Stimmt. Versuche es.«
Eddie Sheen riß sich zusammen. Es würde nicht einfach sein, auf die Beine zu kommen und sich zunächst auch auf den Füßen zu halten, aber es brachte auch nichts, wenn sie hier auf dem Boden hockenblieben und nichts taten.
So rutschte er im Dunkeln in eine andere Lage und stemmte sich mit dem linken Bein zuerst hoch. Es klappte besser, als er gedacht hatte. Als er stand, holte er tief Luft und bekämpfte auch so den leichten Schwindel.
Einige Sekunden blieb er stehen und wartete ab. Hitzewellen und Kälte durchflossen seinen Körper. Hinter den Augen breitete sich ein harter Druck aus.
Es klappte besser, als er es sich vorgestellt hatte. Selbst die Schmerzen am Kinn vergaß er, so stark nahm ihn die neue Beschäftigung in Anspruch. »Willst du auch hoch, Glenn?«
»Ja, warum nicht?«
»Kannst du es allein?«
»Mal sehen.«
Neben sich hörte Eddie die Geräusche, die auch mit einigen Flüchen unterlegt waren. Dann hatte es Simpson auch geschafft. Eddie hielt bereits sein Feuerzeug in der Hand. Er knipste es wieder an und bewegte es langsam in die Runde, damit die Flamme nicht so bald erlosch. Das Gesicht seines Leidensgenossen hatte sich zu einem schiefen Grinsen verzerrt. Glenn leckte mit der Zunge über die klebrigen Lippen. Dabei entstanden schmatzende Laute.
»Du kannst schon gehen, Eddie.«
»Wohin denn?«
»Geh nach links.«
»Und dann?«
»Das ist der beste Weg.«
Eddie folgte dem Rat, während Glenn Simpson an seiner Seite blieb, als wollte er darauf achten, daß auch nichts verkehrt gemacht wurde. Keiner der beiden ging normal. Die Füße schleiften über den Boden wie bei Angeketteten.
Sheen ließ die Flamme auch nicht immer leuchten. Durch die Bewegungen geriet sie zu nahe an die Daumenkuppe heran, die nicht angebrannt werden sollte. So wechselten sich die Intervalle zwischen Hell und Dunkel immer wieder ab, bis Eddie plötzlich stehenblieb, denn er hatte den Dritten im Bunde erkannt.
Das mußte Buddy sein.
Er lag auf dem Boden. Zur rechten Seite hin gedreht, die Beine leicht angezogen. Seine Gestalt war von einem Schmutzfilm bedeckt, und nicht weit von ihm entfernt stand der Trog mit Wasser. Eine hohe Schüssel, in der eine trübe Flüssigkeit schwamm, die man wirklich nur trinken konnte, wenn der Durst schon übergroß war.
Eddie schüttelte sich leicht, was Simpson bemerkte und deshalb leise lachte. »Du wirst dich noch wundern, Freund, wie toll dir die Brühe schmecken wird. Wenn dich der Durst verbrennt, hast du das Gefühl, Champagner zu trinken.«
»Ja, das denke ich auch.«
Buddy schlief weiter. Man hört ihn nur leise atmen. Manchmal erinnerten die Geräusche auch an ein
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