1022 - Der Lockvogel
Alles andere kannst du vergessen, Glenn.«
Simpson schwieg. »Was sollen wir denn dann tun?«
»Das weiß ich nicht. Aber ich habe auch gelesen, wie man diese Blutsauger besiegen kann. Man kann sie pfählen. Man kann ihnen Knoblauch zwischen die Zähne rammen und…«
»Pfählen? Hast du einen Pfahl oder Pflock?«
»Nein.«
»Eben. Und Knoblauch auch nicht. Ich habe diese verdammte Waschküche nicht nur durchsucht, sondern sie sogar Stück für Stück abgetastet. Jeden Zentimeter. Dabei ist mir nichts entgangen, absolut nichts. Ich kann dir sagen, daß wir hier nichts finden werden, mit dem der Vampir umzubringen ist. Kein Pfahl, keine Stange und…«
»Ich weiß es.«
»Was tun wir, wenn er uns angreift?«
Sheen schnaufte. »Keine Ahnung. Wir müssen uns wehren, müssen gegen ihn kämpfen. Ihn umhauen, wie auch immer.«
»Hör auf, das geht nicht. Er ist immer besser. Er ist immer stärker als wir.«
»Dann sind wir bald so wie er!« flüsterte Glenn Simpson.
Beide Männer schwiegen. An Buddy, den dritten Gefangenen, dachten sie nicht. Er wäre für sie auch keine Hilfe gewesen, denn er vegetierte nur so dahin.
»Er darf kein Blut trinken!« flüsterte Sheen. »Dann wird er zu stark. Keinen Tropfen und…« Mitten im Satz hörte Eddie auf zu sprechen. Statt dessen schrie er. Laut, erschreckt, wobei sogar noch Panik mitschwang.
»He, was hast du?«
Sheen gab keine Antwort. Er war nicht in der Lage. Er konnte sich auch nicht bewegen. Er hatte nur etwas gespürt, denn kalte Totenfinger hatten sich auf seine Hand gepreßt…
***
Gedanken huschten durch Sheens Kopf. Er dachte, aber er bekam sie nicht in die Reihe. Zumindest nicht sofort. Diese kalte Berührung hatte ihn starr werden lassen.
Irgendwann riß bei ihm der Faden. Da wußte er dann, was in diesem Trog geschehen war. Der Vampir war kräftig genug gewesen, um seine Hand an der Innenseite hochschieben zu können. Sicherlich hatte er nach draußen klettern wollen, dann aber war ihm die Hand im Weg gewesen, und jetzt preßte er seine auf die Finger, denn sie bestanden aus herrlich warmem und von Blut durchlaufenen Menschenfleisch. Für ihn war der Mensch der neue Kraftquell.
Eddie rührte sich noch immer nicht. Er hörte sein Herz überlaut schlagen und konzentrierte sich zugleich auf seine eigene Hand und den fremden Druck.
Die kalten Finger bewegten sich jetzt. Sie zuckten. Zum erstenmal merkte Eddie, daß dieser unheimlichen Gestalt sogar Fingernägel gewachsen waren, die seitlich über seine Haut schabten, um sie einzureißen, damit erste Tropfen hervorquellen konnten.
So war es dann auch. Die Nägel rissen kleine Wunden. Eddie bekam es mit, aber er tat nichts dagegen. Er klammerte sich nach wie vor fest, als wollte er die vordere Seite des Trogs einfach abreißen.
»Was ist denn, Eddie?« Simpson hielt es nicht aus. Das Schweigen machte ihn verrückt.
»Der… er … er … ist da …«
»Wie da?«
»Er hat sich bewegt.«
»Ja und?«
»Er hat meine Hand.«
»Nein!« keuchte Glenn.
»Doch, doch. Da ist sogar Blut. Er hat mir auf den Fingern eine Wunde gerissen.«
Simpson war für einen Moment still. Dann zischte er die Frage über seine Lippen. »Wo hast du das Feuerzeug, Eddie?«
»In der anderen Hand.«
»Gib her!«
Eddie spürte, wie Glenn ihn abtastete. Simpson fand den Arm, dann auch die Hand und griff nach dem schmalen Etwas. »Ist schon gut, Eddie, ich leuchte jetzt.«
»Ja, tu das!« Sheen spürte noch immer den Druck der Hand an seiner. Die andere blieb so kalt wie eine Totenklaue, sie nahm die menschliche Wärme nicht an, aber die Nägel kratzten weiter, denn sie wollten die Furche tiefer reißen.
Glenn hantierte mit dem Feuerzeug. Es anzuknipsen, war eine einfache Sache, nicht aber in seinem übernervösen Zustand. So brauchte er drei Versuche, um die Flamme in die Höhe flackern zu lassen.
Sie schaffte die Insel aus Licht, die auch wanderte, als er seine Hand tiefer senkte, in den Trog hinein.
Simpson wußte ja Bescheid, was da passiert war. Bisher hatte man mit ihm darüber nur gesprochen. Als er es endlich sah, da wäre ihm das Feuerzeug beinahe aus den schweißfeuchten Fingern gerutscht.
Der Blutsauger hatte sich tatsächlich etwas aufgerichtet und auch seinen rechten Arm in die Höhe gestreckt. Die Hand war dabei an der Innenseite des Beckens hochgewandert und hatte tatsächlich ihr Ziel gefunden, eben Eddies Hand. Die Klaue des Blutsaugers klammerte sich daran fest, und seine spitzen Fingernägel hatten es
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