1025 - Ich töte jeden Sinclair!
sie nicht aufgeschreckt, trotzdem sah sie so aus, denn sie war blaß geworden.
»Was ist denn passiert?«
Glenda schüttelte den Kopf und drehte den ausgestreckten, rechten Daumen unserer Bürotür entgegen. Dort stand Sir James und nickte uns zu. Suko war ebenfalls erschienen. Noch sprach niemand ein Wort. Das Schweigen wirkte bedrückend. Ich kam mir vor wie als Gast in einer Trauerhalle, in der die Leute standen, um von einem geliebten Menschen Abschied zu nehmen. Es fiel mir nicht leicht, die Frage zu stellen. »Was ist denn passiert? Ist jemand gestorben, den wir gut kennen?«
»Nein, das ist es nicht«, sagte Sir James.
Komisch, die Worte hätten mich eigentlich beruhigen sollen, aber sie taten es nicht. »Ja – worum geht es dann?«
»Um Ihre Eltern, John!«
Da war es wieder! Dieses Gefühl, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Den leichten Schwindel konnte ich nur schwer ausgleichen. Mein Herz klopfte schneller. Ich hatte es geahnt. Ich hatte es die ganze Zeit schon geahnt. Zwei Männer mit dem Namen Sinclair waren brutal umgebracht worden, und jetzt war etwas mit meinen Eltern passiert. Mit den toten…
Tief atmete ich durch. »Also, Sir, Sie können ruhig alles sagen. Ich bin auf einiges gefaßt.«
»Ja«, sagte er und nickte. »Ich will es kurz machen. Jemand hat das Grab Ihrer Eltern in einem Anfall von Haß und Zerstörungswut regelrecht verwüstet.«
Bei allen Heiligen, mit dieser Botschaft hatte ich nicht gerechnet und flüsterte deshalb: »Was ist geschehen?«
Sie James wiederholte es.
Noch immer schüttelte ich den Kopf. Ich wußte, daß es Menschen gab, die auf Friedhöfe gingen, um dort Gräber zu zerstören und Grabsteine umkippten. Weshalb sie so handelten, war mir unklar.
»Weiß man mehr?« hörte ich mich fragen.
»Ja und nein. Es sind nur die Gräber Ihrer Eltern zerstört worden. Also das Doppelgrab. Mit den anderen Grabstätten ist nichts passiert. Demnach hatte es die Person auf Ihre Eltern abgesehen, John.«
»Ja das weiß ich inzwischen auch. Ich frage mich nur nach dem Grund. Wer tat es?«
»Das weiß niemand, John, aber derjenige, der es getan hat, hinterließ eine Nachricht. Man hat das Grab fotografiert. Uns wurde das Bild gefaxt. Hier ist es.«
Erst jetzt fiel mir auf, daß Sir James etwas in seiner rechten Hand gehalten hatte. Ein dünnes Stück Papier, das er mir jetzt reichte.
Suko und ich schauten uns das Foto gemeinsam an, über dessen Qualität wir hinwegsahen. Das Wichtige war zu erkennen. Vor allen Dingen die Nachricht auf der Grabmitte.
Deutlich konnten wir den Satz lesen.
»Ich töte jeden Sinclair«, flüsterte Suko…
***
Ja, er hatte recht. Genau diese Zeilen waren hinterlassen worden. Ich starrte auf die Botschaft, ohne etwas wahrzunehmen, und die einzelnen Wörter verschwammen vor meinen Augen.
Sofort dachte ich an die beiden ermordeten Männer. Auch sie hatten Sinclair geheißen. Meine Eltern hatte dieser Unbekannte nicht töten können, sie lagen bereits unter der Erde, aber er hatte sich die Gräber trotzdem vorgenommen und sie wirklich regelrecht verwüstet. Zertrampelt, zerhackt, wie auch immer.
Ich ging zu Glendas Schreibtischstuhl und setzte mich. Diesmal bekam ich von ihr keinen Kaffee, sondern einen Cognac, der mir in diesem Augenblick besser tat.
Ich trank das Glas langsam leer und dachte an die dunkle, unsichtbare Wolke, die sich über meinem Kopf zusammenbraute. Es gab da etwas. Es existierte ein mächtiger Feind, der einen irrsinnigen Haß auf die Sinclairs hatte.
Wer konnte das sein?
In Frage kamen viele. Ich hätte die Namen wie ein Register abrufen können, aber das brachte nichts. Irgendwo glaubte ich auch nicht daran, daß es einer meiner bekannten Feinde war, der die Sinclairs auf seine Liste gesetzt hatte. Für die war ich wichtig und nicht einer der vielen anderen Sinclairs.
Es mußte etwas anderes dahinterstecken. Ein Motiv, an das ich bisher noch nicht gedacht hatte.
Sir James hob die Schultern. »Wir wissen nicht viel, und die Kollegen oben in Lauder auch nicht. Niemand hat die Person gesehen. Es ist zudem in der Nacht geschehen.«
Ich drehte das Glas zwischen meinen Händen. »Warum?« fragte ich leise. »Warum tut man so etwas?«
»Wer haßt denn deine Eltern noch über den Tod hinaus, daß er deren Grab schändet?«
Ich schüttelten den Kopf. »Das hat wohl mit Haß auf meine Eltern nichts zu tun, Glenda. Es geht hier einzig und allein um den Namen Sinclair, sage ich mal. Wir sind ja
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