1027 - Der Traum vom Schwarzen Tod
vergrub die Hände in den Taschen seiner Hose. Die Füße schleiften über den Boden hinweg oder durch das Gras. Rechts neben ihm wippten die dünnen Zweige der Sträucher, als wollten sie ihm zum Abschied zuwinken.
Atlantis!
Seine Gedanken drehten sich um diesen Begriff. Johnny wußte, daß es erst so etwa wie ein Beginn war. Der Anfang, dem das dicke Ende noch folgen würde.
Er hielt den Kopf gesenkt. Es gab nichts, was er noch sehen wollte.
Vor ihm sah er den dunklen Hang aus Büschen und kleineren Bäumen, die den Zeltplatz umschlossen.
Nichts war zu hören. Man schlief. Keine Musik, höchstens mal das Schnarchen oder das laute Atmen eines Menschen. Ansonsten lag das tiefe Schweigen über dem Gelände.
Johnny fand den schmalen Pfad, der das Gebüsch teilte und ihn zum Platz führte. Die Zelte sahen aus wie dunkle, unterschiedlich große Hügel. Sie waren alle geschlossen. An manchen strich der Wind entlang und spielte mit dem Stoff. Johnny blieb vor seinem Zelt stehen. Er bückte sich und schaute zuerst durch die schmale Spaltöffnung in das Innere. Dort breitete sich die normale Dunkelheit aus. Die beiden Fenster zeichneten sich heller ab.
Johnny öffnete das Zelt. Er kroch hinein. Zwei leere Schlafsäcke, sonst nichts.
Traurig ließ er sich auf seinem Schlafsack nieder. Er starrte vor sich hin, und seine Gedanken waren weit weg, aber er bekam sie nicht zu fassen.
Atlantis, der Schwarze Tod – abstrakte Begriffe selbst für Johnny, der geglaubt hatte, ein normales Leben führen zu können, um auch seinen Eltern damit einen Gefallen zu tun.
Glauben hieß nicht wissen. Es entsprach nicht den Tatsachen, die sahen anders aus.
Seine Uhr war mit Leuchtziffern ausgestattet. Er schaute hin und stellte fest, daß die erste Stunde des neuen Tages schon vorbei war.
In vier Stunden würde es hell werden. Das bedeutete Hoffnung, denn an diesem Tag würden seine Eltern eintreffen. Bestimmt brachten sie John Sinclair mit.
Was konnte Johnny ihnen bieten?
Nichts Konkretes. Er konnte ihnen einen Bericht abliefern, was er auch tun würde, aber er hielt keine Beweise in den Händen. Der leere Schlafsack, das verlassene Boot, das war alles. Ansonsten griff man ins Nichts. Es gab keinen anderen Zugang nach Atlantis. Zumindest nicht hier. Anders sah es bei den Flammenden Steinen aus, wo Kara und Myxin lebten. Das wäre eine Möglichkeit gewesen, von dort aus eine Zeitreise zu starten, um Simon zu suchen. Irgendwo fühlte sich Johnny auch für ihn verantwortlich. Was würden seine Eltern sagen, wenn sie ihren Sohn nicht mehr zurückbekamen?
Als Johnny dieser Gedanke durchfuhr, wurde ihm beinahe übel.
Er legte sich zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und stellte auch fest, daß der Druck in seinem Magen nicht nachließ. Hitzewellen durchströmten ihn. Er horchte auf seinen eigenen Herzschlag, der ihm lauter vorkam als normal.
Die Zeit zog sich dahin. Sie würde noch länger werden. Der einsam liegende Johnny Conolly steigerte sich dabei in etwas hinein, was er selbst nicht wollte.
Er fühlte sich beobachtet, belauert. Schattengestalten umschlichen sein Zelt wie böse Geister. Kein Laut war dabei zu hören. Nicht einmal das Gras raschelte. Manchmal, wenn der Wind stärker wehte, wölbte sich auch die Zeltwand.
Schlaf fand Johnny keinen. Er würde auch so schnell keinen finden und den Rest der Nacht hier allein liegenbleiben. Simon war verschwunden. Aus eigener Kraft würde er sicherlich nicht zurückkehren können. Das alles sah sehr schlecht aus. Genau dieses Wissen steigerte auch die Unruhe in Johnny.
War da eine Stimme zu hören gewesen? Oder hatte er sich nur vom Raunen und Wispern des Windes ablenken lassen?
Er konnte sich selbst keine Antwort geben, wollte es aber herausfinden und blieb gespannt liegen. Seine Vorstellungskraft spielte ihm einen Streich. Er war allein, Simon kehrte bestimmt nicht zurück, das war unmöglich.
Und doch war jemand draußen.
Kein Irrtum.
Leise, schleichende Schritte…
Johnny richtete sich auf. Er bemühte sich, das Zittern so weit wie möglich zu unterdrücken und drehte den Kopf so, daß er den Eingangsbereich im Auge behielt.
Er konnte auch durch ein in der Nähe liegendes Fenster sehen, aber dahinter tat sich nichts.
»Johnny…«
Der Junge zuckte zusammen. Die flüsternde Stimme, die seinen Namen gerufen hatte, war keine Einbildung gewesen. Da draußen wartete jemand auf ihn.
Er setzte sich auf. Noch in der Bewegung sah er, wie sich die beiden
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