1030 - Das Ende einer Hexe
Ort gehen zu müssen. Von anderen Menschen wollte ich nicht unbedingt gesehen werden.
Inzwischen war es hoher Nachmittag geworden. Mich umschloß die Natur aus dichten Büschen, Bäumen und auch aus hohem Schilfgras, das in der Nähe des Baches wuchs.
Ich näherte mich seinem Ufer und dachte dabei an die flüchtige Begegnung mit der jungen Mona.
Auch sie war ein ungewöhnliches Menschenkind, wie wohl alle hier in Passing Bridge, die irgendwie auch ihr eigenes Leben lebten. Gern für sich blieben und sich nicht um den Rest der Welt kümmerten.
Ich leistete mir eine kurze Pause am Ufer des Bachs. Das Wasser floß schnell und sprudelnd dahin.
Begleitet von silbrigen Reflexen auf der Oberfläche, und die Forellen, deren schlanke und geschmeidige Körper sich deutlich abhoben, konnten es in diesen Gewässern nicht besser haben, bis sie eben in die Falle der Mona gerieten und in einem Becken gefangen wurden.
Für eine Weile ging ich parallel am Bach entlang. Dort existierte ein schmaler Trampelpfad. So war ich wohl nicht der einzige, der diese Strecke kannte.
Niemand begegnete mir. Die Einsamkeit des Hochsommers hatte mich verschluckt. Eine in Bachnähe leicht feuchte, aber auch recht frische Luft. Hinzu kam das Sonnenlicht, das auf dem Boden einen hell gesprenkelten Teppich hinterließ, das Zwitschern der Vögel. Es hätte alles so wunderbar sein können, wenn ich nicht ständig das Bild der Toten vor meinem Auge gehabt hätte.
Sieben Stiche mit dem Messer!
Und der letzte war möglicherweise erst tödlich gewesen. Das wollte mir nicht aus dem Kopf. Die Frau mußte gelitten haben. Sie war als Hexe bekannt gewesen, doch da reagierte ich vorsichtig. Man konnte einen Menschen leicht mit solchen oder ähnlichen Behauptungen in eine bestimmte Ecke drängen.
Der Wald um mich herum lichtete sich. Das Dorf lag hinter mir. Der Blick fiel auf das leicht ansteigende Gelände, und nicht weit entfernt führte der schmale Weg bis zum leeren Hotel. Es war noch nicht zu sehen und versteckte sich hinter einigen Bäumen. Deren Kronen tauchten allmählich auf, und wenig später hatte auch ich die entsprechende Höhe erreicht, um das Haus sehen zu können.
Seit meinem ersten Besuch hatte sich nichts verändert. Noch immer sah es aus wie zum Abbruch bereit. Der nächste Orkanstoß konnte es aus den Fugen reißen.
Was ich erwartete, wußte ich selbst nicht, aber ich ließ mir die Zeit, das Haus zu beobachten. Da tat sich nichts. Keine Bewegung, nur mein Rover parkte dort einsam und verlassen im hohen Gras.
Ich setzte den Weg fort. Weit brauchte ich nicht mehr zu gehen. Beim Passieren des Fahrzeugs warf ich einen Blick in den Innenraum. Auch dort hatte sich nichts verändert.
Die Tür war wieder zugefallen, aber nicht verschlossen worden, denn ich konnte sie aufschieben.
Mit möglichst lautlosen Schritten bewegte ich mich in diese Umgebung hinein, die mir wie eine alte Filmkulisse vorkam. Die drückende Luft, die unter der schmutzigen Decke mit den grauen Balken hing. Der manchmal scharfe Geruch, der für mich nicht zu identifizieren war, und natürlich die beklemmende Stille der Vergessenheit. Hier wartete niemand mehr. Auch der Platz hinter der alten Rezeption war verwaist. Nur die Kladde lag noch aufgeschlagen dort, als wollte sie mich auf ihre Art und Weise verhöhnen.
Fußabdrücke im Staub des Bodens wiesen darauf hin, daß dieses Haus in der letzten Zeit Besuch bekommen hatte. Auch meine Fußspuren waren noch zu sehen. Ich trat fast in sie hinein, als ich mich der Treppe näherte. Das Holz der Stufen protestierte unter meinem, Gewicht, wie gefangene Seelen, die schreckliche Qualen erleiden mußten.
Von diesen Geräuschen ließ ich mich nicht irritieren und stieg die Treppe Stufe für Stufe hoch. Ich konzentrierte mich voll und ganz auf meine Umgebung, in der es zwar still war und ich als einzige die Geräusche verursachte, aber ich traute dieser Ruhe nicht. Unerwartet und blitzartig konnte sie vorbei sein. Seltsamerweise dachte ich dabei an Rodney Quiller, den ich bisher nicht zu Gesicht bekommen hatte.
Vor mir lag der Flur. Dunkel wie ein Stollen. Alt und nach Staub riechend. Die beiden Wände verschwammen in diesem schlechten Licht, und auch die Türen malten sich kaum ab.
Ich schaltete das Licht ein.
Es wurde heller, und mir fielen dabei gewisse Schleifspuren im Staub auf.
Dafür gab es nur eine Lösung. Irgend jemand hatte etwas von hier oben weggeschafft.
Natürlich die Leiche!
Es war einfach logisch, so zu
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