1032 - Baphomets Monster
schien sich aus verschiedenen Schatten zusammenzusetzen, die nur durch das wenige durch Fenster fallende Licht an bestimmten Stellen aufgerissen wurde.
Die Öffnungen an den Wänden waren ziemlich hoch, aber auch recht schmal, da hielt sich der Lichteinfall in Grenzen. Staub lag auf dem Boden, an verschiedenen Stellen verwischt und durch Fußabdrücke zerstört. Die Decke war nicht zu sehen. Der Betrachter konnte sie nur ahnen.
Säulen gab es nicht, die als Stütze gedient hätten. Dazu war die Decke auch nicht hoch genug. Der Baumeister hatte sich in der Statik sehr gut ausgekannt.
René Ducroix hatte dem Templer den Vortritt gelassen. Er war nahe der Tür stehengeblieben und lauschte den knirschenden Schritten seines Freundes.
Die Augen der Männer hatten sich an die Dunkelheit gewöhnen können, so waren auch Einzelheiten zu erkennen, wie zum Beispiel eine recht flache Erhöhung, wo der Altar gestanden haben mußte.
Ansonsten gab es nichts in diesem Raum, was noch auf eine ehemalige Meßfeier hingedeutet hätte.
Die Kirche wirkte von innen ebenso kahl wie von außen. Keine Fresken an den Wänden, keine bunten Fenster, in deren Glas fromme Motive aus der Kirchengeschichte zu erkennen gewesen wären.
Nur die grauen Scheiben, durch die das letzte Tageslicht sickerte, das an der Westseite einen rötlichen Schein erhalten hatte.
Nach einigen Minuten hatte der Abbé die Kirche durchwandert.
Er kehrte wieder zu seinem Freund zurück und blieb nachdenklich vor ihm stehen.
»Was sagst du?« fragte Ducroix. »Was ist dein erster Eindruck? Bist du enttäuscht?«
»Nein, eigentlich nicht, da bin ich ehrlich. Allerdings hätte ich schon etwas mehr erwartet. Aber hier finden wir nichts. Sie kommt mir vor wie leergeräumt.« Bloch hatte seine Stimme gesenkt, da ihm die andere Akustik nicht gefiel. Seine Stimme hatte sich ausgebreitet und kehrte wie verstärkt zurück.
»Sie ist leergeräumt worden. Man wird sie geplündert haben. Man hat all das entfernt, das an die positive Einstellung der Templer erinnert hatte.«
»Das sehe ich mittlerweile auch so. Ich frage mich nur, wer es getan hat und warum?«
»Man wollte sie entweihen.«
»Das kann stimmen.«
»Aber man hat die Figur gelassen.«
Bloch schaute unwillkürlich in die Höhe, als könnte er sie so zu Gesicht bekommen. »Als Zeichen oder Beweis dafür, daß die Kirche jetzt einem anderen gehört oder geweiht ist. Nämlich Baphomet. Wie die beiden anderen Kirchen auch.«
»Du wirst dort das gleiche sehen wie hier«, erklärte Ducroix. »Wir brauchen erst gar nicht hinzugehen. Es gibt keine Unterschiede. Auch dort findest du weder Fresken noch einen Altar. Nur eben diesen leeren Raum, das ist alles. Trotz allem ein Kulturgut, das erhalten werden soll.«
»Mit dir als Restaurator.«
»Ja. Und ich habe mir die Kirche auch im Hellen angeschaut. Sie läßt sich wieder herstellen.«
»Dagegen haben andere etwas.«
»Das weiß ich jetzt auch.«
»Und sie müssen uns beobachtet haben, sonst hätte man nicht deinen Kater getötet.«
»Eine letzte Warnung«, sagte Ducroix leise, »die wir allerdings nicht befolgt haben.« Er hob den Blick und schaute den Templer an.
»Was sagst du dazu?«
»Nicht viel, aber du hast recht.«
»Wie sieht dein weiteres Vorgehen aus?«
Der Abbé deutete in die Runde. »Ich denke mal, daß wir hier nicht viel zu suchen haben, denn ich glaube kaum, daß wir etwas finden werden. Oder denkst du anders darüber?«
»Nein.«
»Dann bleibt uns nur dieser Wächter. Die monströse Figur auf dem Dach. Sie könnte so etwas wie eine Antwort sein.«
»Eine schweigende Antwort aber.«
»Noch schweigt sie. Aber du hast diesen Schatten gesehen, der zu den Figuren wollte. Er turnte an den Kirchen herum, er wird wiederkommen, und das möchte ich mir ansehen.«
»Nichts dagegen, Abbé.« René atmete scharf ein. »Trotzdem fühle ich mich unwohl wie nie. Ich weiß nicht, ob diese Nacht entscheidend ist, vorstellen kann ich es mir schon. Ich habe so ein Gefühl. Wir sind nahe dran. Außerdem ist mein Kater nicht grundlos umgebracht worden. Da kommt etwas auf uns zu.«
Der Templer hatte die Worte gehört und widersprach auch nicht.
Er ärgerte sich nur darüber, daß er nicht schon früher hier erschienen war, dann hätte auch John Sinclair längst anwesend sein können. So aber sah es nicht gut aus.
Seine Überlegungen behielt der Abbé für sich. Statt dessen sagte er nur: »Wir sollten wirklich nicht hier in dieser alten Kirche bleiben.
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