1037 - Zurück aus dem Jenseits
zurückzulegen.
Jamina wollte das Zimmer verlassen, die Gästetoilette betreten und sich dort frisch machen. Sie wurde von dem Wunsch getrieben, Wasser durch ihr Gesicht laufen zu lassen. Außerdem wollte sie so gut wie möglich die Wunde am Hinterkopf reinigen.
Noch zwei weitere Schritte, dann hatte sie die Tür erreicht, die durch die Gegenwucht wieder zugefallen war. So mußte sie erst noch geöffnet werden.
Eine leichte Sache – normalerweise, aber nicht für Jamina in ihrem Zustand. Bei jedem Schritt hörte sie das Dröhnen in ihrem Kopf, und dieser verdammte Schwindel kam wieder auf.
Trotzdem öffnete sie die Tür.
Im Bereich des Eingangs war es nicht so düster wie in ihrem Arbeitszimmer. Die Strahlen der Sonne fielen durch die Fenster, verteilten sich im Haus, und waren für die angeschlagene Frau einfach zu hell. Sie mußte die Augen fast schließen, konnte nur blinzelnd schauen. So wartete sie, bis sich die Augen an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt hatten.
Da sah sie den Mann.
Er stand direkt vor der Tür, bewegte sich nicht und wirkte wie ein düsteres Denkmal. Sie hatte ihn nicht hereinkommen hören, aber er war da und starrte sie an.
Ein Fremder. Dunkel gekleidet. Mit ebenfalls dunklen Haaren, die er aalglatt zurückgekämmt hatte.
Das hätte sie nicht weiter gestört oder nicht so aus der Fassung gebracht. Etwas anderes war viel schlimmer.
Der Mann hielt einen Revolver in der Hand, auf den ein langer Schalldämpfer geschraubt worden war. Und die Mündung der Waffe zielt genau auf Jaminas Herz…
***
Die Wahrsagerin war unfähig zu sprechen, sich zu bewegen – ja, sogar zu atmen. Sie stand einfach nur da und lauschte ihren Gedanken, wobei sie sich wünschte, daß alles nicht den Tatsachen entsprach und sie sich in einem Traum befand.
Der Mann sagte kein Wort. Er bewegte sich auch nicht und schaute sich trotzdem um. Das tat er einzig und allein mit den Augen, denn sie rollten förmlich in den Augenhöhlen hin und her.
Er schien zufrieden zu sein, denn seine sehr angespannte Haltung normalisierte sich wieder. Jamina dachte darüber nach, wer dieser Mann sein konnte. Gesehen hatte sie ihn noch nie. Aber sie war sensibel genug, um zu spüren, daß von ihm der Hauch einer tödlichen Gefahr ausging. Eine Kälte, wie sie nur Killer abstrahlten.
»Wer sind Sie?« Jamina wunderte sich darüber, daß sie überhaupt sprechen konnte.
»Dein Henker!« sagte er nur.
Es war ihrem Zustand zuzuschreiben, daß sie nicht erschrak oder die Angst in Wellen in ihr hochschoß. Jamina reagierte überhaupt nicht. Sie blieb einfach stehen, aber sie spürte die plötzliche Leere, die sogar ihre Schmerzen zurückgedrängt hatte.
Dem Fremden gefiel ihr Schweigen nicht. »Hast du mich nicht gehört?« wisperte er.
»Doch!«
»Sehr schön. Und weiter?«
»Wie weiter?«
»Hast du keine Angst?«
Doch, die spürte Jamina. Allerdings war sie zurückgedrängt worden. Statt dessen mußte sie einfach über die Stimme nachdenken.
Der Fremde hatte sie in der deutschen Sprache angesprochen, nur war er kein Deutscher. Er schien aus dem Süden Europas zu stammen. Vielleicht sogar aus Kleinasien oder Afrika.
»Warum willst du denn nicht reden?« Die Frage war locker gestellt worden, als wollte der Fremde eine normale Konversation mit ihr aufnehmen und sie nicht töten.
Jamina suchte nach Worten. Es war alles so einfach und trotzdem verdammt schwer. »Ich begreife das alles nicht«, gab sie zu. »Sie kommen hier herein. Sie wollen mich töten. Sie sind fremd. Ich habe Sie noch nie gesehen.«
»Das ist richtig. Ich sehe dich auch zum ersten Mal.« Seine Augen schimmerten. »Du bist nicht schlecht. Normalerweise hätte ich etwas anderes mit dir angestellt. Nur nicht heute.«
Hilfe! Ich brauche Hilfe! Ich kann ihn allein nicht schaffen. Jamina war sich ihrer Grenzen sehr wohl bewußt, obgleich sie das dritte Auge besaß. Dessen Kraft half ihr in dieser Lage nicht viel. Eine Kugel war immer schneller.
Dem Eindringling war es leid. Er schoß noch nicht, denn er gehörte zu den Menschen, die eine Lage bis zum Letzten auskosten wollten. Ihm bereitete es Freude, einen Menschen leiden zu sehen, auch wenn er sich bei diesem Job nicht soviel Zeit nehmen konnte.
Der Killer winkte mit der Waffe. »Leg dich hin!«
»Was soll ich?«
»Auf den Boden!«
Jamina schrak zusammen. Instinktiv hob sie die Arme an, um ihr Gesicht zu schützen, als der Mann einen Schritt auf sie zukam. Er schlug nicht, er schoß auch nicht. Er holte
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