1039 - Die Heroin-Zombies
»Was ist los? Bist du überrascht?«
»In der Tat. Wie kann man nur jemand in einer Mühle verstecken? Es sei denn, sie ist außer Betrieb.«
»Genau. Und niemand ist da, der sich um sie kümmert.«
»Das ist etwas anderes.« Ich konzentrierte mich zunächst auf die Fahrerei, die wirklich nicht einfach war, denn Elena hatte nicht übertrieben. Es war eine ziemlich enge Kurve, die zudem noch gefährlicher wurde, weil wieder viel Laub auf der Straße lag und sie zu einer Rutschbahn machte.
Jede Kurve hört irgendwann auf. Auch diese machte keine Ausnahme. »Paß jetzt auf, Sinclair.«
»Nach rechts, nicht?«
»Ja.«
Der Weg war da. Schmal wie ein Feldweg. Zu Beginn war er noch mit normalem Asphalt bedeckt, der allerdings zum größten Teil unter den braunen Lehmspuren der Reifen verschwunden war. Nach wenigen Metern verschwand der Asphalt ganz, und wir rollten über einen harten, zugleich matschigen und auch feuchten Lehmboden hinweg, der in ein flaches Feld hineinbrach. Es lag vor uns wie ein großes, braunes und auch starres Gewässer. Im Hintergrund malte sich ein vom Dunst umwehter Schatten ab, der sichtbar in die Höhe wuchs.
Die alte Mühle!
Meine Augen zuckten für einen Moment. Ich spürte den Ring um meine Brust. Bisher war alles recht locker abgelaufen, zumindest die Fahrt, da war durch meine Ablenkung die Spannung unterdrückt worden. Das hatte sich nun geändert. Zumindest bei mir. Diese Mühle kam mir wie ein böses Omen vor. Ich dachte auch daran, daß ich mit alten Mühlen schon meine Erfahrungen gemacht hatte, und die waren nicht positiv gewesen.
Sehr langsam fuhr ich auf das Ding zu. In Betrieb war sie nicht mehr. Es gab auch kein fließendes Gewässer, an dem sie stand. Sie war damals wohl durch den Wind angetrieben worden, der an diesem Tag allerdings kaum wehte.
Die Flügel waren noch vorhanden. Alle vier. Keiner war abgerissen worden. Und sie sahen auch nicht aus wie Skelette. Sie hatten der langen Zeit widerstanden.
In der näheren Umgebung der Mühle gab es weder Rasen noch Acker. Dort war der Boden festgestampft worden. Aber nicht fest genug, um die Spuren der Reifen verschwinden zu lassen, die sich in die Oberfläche eingedrückt hatten.
Elena Cerez und ich waren nicht die einzigen, die die Mühle besuchten oder besucht hatten. Andere Fahrzeuge sah ich nicht, was schon positiv war.
Ich hielt an. Die Schatten der mächtigen Flügel hatten sich gesenkt und fielen auf das Wagendach. Aus der Nähe war zu sehen, wie groß sie waren. Ich schaute durch die Vorderscheibe und mußte zugeben, daß heftige Windstöße die Flügel verletzt hätten, denn sie hatten ebenfalls stark gelitten. Die Sparren und Balken waren nicht alle so vorhanden, wie es hätte sein müssen. Manche hatten sich ganz gelöst, andere hingen wie abgeknickte, tote Arme nach unten.
»Gefällt sie dir, Partner?«
Ich verzog den Mund. »Von gefallen kann wohl keine Rede sein. Aber ich gebe zu, daß sich Ihre Organisation ein gutes Versteck ausgesucht hat. Wen interessiert schon eine nicht mehr funktionstüchtige Mühle?«
»Richtig. Außerdem ist es nur eine Übergangslösung gewesen. Es wäre bald alles vorbei gewesen, aber das können wir jetzt vergessen, Sinclair, weil einer von ihnen entdeckt wurde.«
»Sie reden, als stünden Sie auf meiner Seite.«
»Kann sein.«
»Warum haben Sie dann getötet?«
»Weil es zum Spiel gehört, verdammt.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nicht für mich.«
»Jeder ist eben anders. Ich habe meine Moral, du hast deine. So kommen wir durchs Leben.«
»Nein, nicht so, Elena. Leider gibt es für viele Menschen nur ein Allheilmittel, die Katastrophe. Ich denke, daß Ihr Leben darauf hinausläuft.«
»Ja, mein Leben, aber nicht deins. Ich habe mich entschieden. Es wird vor Gericht bewertet werden, sollte es je zu einer Verhandlung kommen. Wenn nicht, habe ich Pech gehabt.«
»Wie alt sind Sie?«
»Fünfundzwanzig.«
»Viel zu jung, um zu sterben.«
Sie legte den Kopf zurück, riß den Mund weit auf und lachte. »Hör zu, Partner, wer sagt dir denn, daß ich sterben will? Nein, ich nicht. Ich will, und ich werde leben. Jeder eben nur auf seine eigene Art und Weise. Das ist nun mal so.«
Ich ließ die Philosophie zur Seite und deutete nach draußen. »Es bleibt Ihnen überlassen, ob Sie mit in die Mühle hineingehen wollen oder nicht. Sie können auch im Wagen bleiben.«
»Gefesselt, wie?« höhnte sie.
»Das muß so sein.«
»Irrtum, Partner, Irrtum. Ich bleibe nicht in deiner
Weitere Kostenlose Bücher