1048 - Blutende Schatten
über den nassen Körper warf und schon jetzt über den frühen Anrufer fluchte. Auf dem Weg zum Telefon hinterließen meine Füße eine nasse Spur auf dem Boden, was mich nicht weiter störte. Viel unangenehmer war dieses ungute Gefühl, das der Anruf bei mir ausgelöst hatte. So zeitig meldete sich der moderne Quälgeist selten.
Wenn es einmal passierte, dann hatte dieser Anruf zumeist nichts Positives zu bedeuten, deshalb auch das Gefühl der Bedrückung, das bei mir nicht weichen wollte und sich verstärkte, je näher ich dem Telefon kam. Ich sprach vom Schlafzimmer aus, auf der Bettkante sitzend, und hatte mich kaum gemeldet, als mir jemand seine Antwort ins Ohr stöhnte, dabei aber nicht seinen Namen preisgab.
»Endlich, John, ich dachte schon, du wärst unterwegs.«
Ich wußte nicht, wer sprach, gab aber trotzdem eine normale Antwort. »Ich bin zu Hause, Mister. Wenn Sie mir jetzt noch Ihren Namen sagen könnten, ging es mir besser.«
»Terence Bull, John!«
»Ach!«
Zugleich mit dieser Antwort schoß mir eine feuerheiße Welle durch den Körper bis hinein in den Kopf. Ich hatte das Gefühl, zu glühen, und auch den Herzschlag konnte ich nicht mehr unter Kontrolle halten. Natürlich wußte ich, wer Terence Bull war. Der Leiter der Polizeistation in Lauder, der Stadt meiner toten Eltern. Lauder war für beide zu einer zweiten Heimat all die Jahre über geworden, und in Lauder waren sie auch beerdigt worden.
Wenn Terence Bull anrief, gab es einen Grund. Besonders zu dieser frühen Zeit. Seltsamerweise brachte ich den Anruf mit meinen nächtlichen Alpträumen in einen Zusammenhang.
War da nicht das Gesicht meines Vaters erschienen mit den sich erschreckend veränderten Augen?
»Du bist so still, John.«
»Dein Anruf hat mich überrascht.«
»Das kann ich mir denken. Und ich denke weiter, daß du kommen solltest.«
»Hängt es mit meinen Eltern zusammen?«
Terence Bull seufzte. »Ich kann es dir nicht sagen, John, aber es gibt wieder etwas, mit dem du dich beschäftigen solltest. Es hat auch indirekt mit deinen Eltern zu tun oder mit deren Haus.«
»Das möchte ich genauer wissen.«
»Gut. Zuvor eine Frage. Kennst du einen jungen Mann, den sie hier Sugar nennen?«
»Nein.«
»Du wirst ihn kennenlernen, denn er ist eine der beiden Hauptpersonen. Zum Glück hat er überlebt und steht mir als Zeuge zur Verfügung. Allerdings geht es ihm nicht gut. Ich habe sogar einen Arzt kommen lassen müssen.«
»Ja, was hat er denn erlebt?«
Das erfuhr ich in den nächsten Minuten. Terence Bull sprach mit sehr ruhiger Stimme. Er konnte nicht vermeiden, daß meine Aufregung zunahm.
Hörer und Hand schienen aneinanderzukleben. Ich saß in das Badetuch gehüllt und erlebte sowohl Kälte- als auch Hitzewellen, die mir von den Füßen her bis in den Kopf stiegen. Da bahnte sich etwas an. Was mir Terence Bull erzählt hatte, war tatsächlich unglaublich. Nur hatte ich dieses Wort aus meinem Repertoire gestrichen, denn oft genug war das Unglaubliche verdammt real geworden.
»So, John, jetzt weißt du, was dieser junge Mann in der vergangenen Nacht erlebt hat. Nun bist du an der Reihe. Wie willst du handeln? Willst du herkommen?«
»Wäre nicht schlecht.«
»Das meine ich auch. Oder befürchte es. Nicht nur er ist wichtig als Person, auch das Haus deiner Eltern. Da wurde das rote Licht im Keller gesehen…«
»Sugar hat noch von einer kleinen Statue gesprochen…«
»Sehr richtig.« Terence räusperte sich. »Ich nehme mal an, daß du sie kennst.«
»Nein, eben nicht.«
»Bitte?«
»Verdammt, Terence, ich kenne das Haus meiner Eltern, habe ich jedenfalls gedacht. Ich bin auch öfter im Keller gewesen, nur an eine Statue kann ich mich nicht erinnern.«
»Sie soll im letzten Kellerraum an der linken Seite gestanden haben. Ich habe keinen Grund, Sugar nicht zu glauben.«
»Ich ebenfalls nicht, Terence. Nur kann ich dir dazu nichts sagen, verflixt.«
»Aber du kennst den Keller doch!«
»Ja, schon. Aber ich weiß nicht, wann ich ihn zum letztenmal betreten habe. Daran kann ich mich wirklich nicht erinnern. Ich weiß nur, daß mein Vater den Keller als sein Reich betrachtete. Er war zugleich auch seine Werkstatt. Er hat sich dort oft zurückgezogen, aber ich war nicht da. Und dieser letzte Raum auf der linken Seite - tja, ich weiß nicht, was ich dir dazu sagen soll. Ich kenne ihn zwar, nur nicht so wie ihn dir Sugar beschrieben hat.«
»Was meinst du damit?«
»Mit einer Lattentür und nicht mit einer
Weitere Kostenlose Bücher