1054 - Die Leibwächterin
Costello nichts zu sagen. Möglicherweise wäre es ihm nicht recht gewesen, daß sie etwas mehr wußte.
»Aber ich stecke drin!« flüsterte sie vor sich hin. Sie nickte bei ihren eigenen Worten. Dann sprach sie leise weiter. »Deshalb wird es immer dringender, daß John Bescheid bekommt.«
Aus Sicherheitsgründen hatte sie so leise gesprochen, daß auch das beste Richtmikrofon der Welt die Worte nicht hätte weiterleiten können. Zwar hatte sie keine dieser technischen Spielereien in ihrer kleinen Wohnung entdeckt, aber man konnte nie wissen.
Nur wußte sie, daß der nächste Tag verdammt spannend werden würde…
***
»Bleib noch etwas bei mir und trink ein Glas mit mir, Franco. Tu mir den Gefallen.«
»Natürlich, Don.«
Die Worte waren von Costello zwar wie eine Bitte ausgesprochen worden, doch sie beinhalteten einen Befehl. Franco wäre es nie in den Sinn gekommen, ihn nicht zu befolgen.
Er holte den Wein, der in einer geschliffenen Karaffe schimmerte und schenkte seinem Capo ein. Auch er genehmigte sich ein Glas.
Dann dimmte er das Licht, so daß die helle Insel nur die beiden Männer und die große Sitzgarnitur mit den vielen Kissen darauf umgab. Der übrige Raum war in graues Dämmerlicht eingehüllt.
Sie tranken und schauten sich danach über die Gläser hinweg an.
Während sich Costello in seinem Rollstuhl sitzend entspannt gab, wirkte Franco wie jemand, der auf dem Sprung steht und im nächsten Moment abheben wollte.
Costello genehmigte sich noch einen zweiten Schluck, stellte das Glas zurück und lächelte in sich hinein. »Was gefällt dir nicht, Franco? Ich weiß, daß du nicht zufrieden bist, denn das sehe ich deinem Gesicht an. Wahrscheinlich weiß ich den Grund, und ich werde ihn dir jetzt auch sagen, Franco. Dir gefällt Karina nicht!«
Der Mann schwieg. Er knetete nur seine Hände.
»Ist es so?«
Franco nickte.
»Gut. Aber warum tust du dich so schwer damit, mein Freund? Ich habe meine Meinung, du hast sie, und ich weiß, daß ich mich auf dich hundertprozentig verlassen kann.«
»Ja, das schwöre ich!«
»Dafür habe ich dich auch in meiner Nähe und bin dir dankbar. Vertrauen bedeutet auch Offenheit, und ich möchte, daß du offen zu mir bist, Franco.«
Er nickte. »Ich werde mich bemühen.«
»Gut, fangen wir also an. Es geht um Karina. Wie ich dich einschätze, traust du ihr nicht.«
»So ist es.«
Costello überlegte nicht lange, bevor er die nächste Frage stellte.
– »Dann möchte ich genau wissen, was dich an ihr stört. Liegt es daran, daß sie eine Frau ist?«
»Auch«, gab Franco zu, der seinem Capo nicht in die Augen schauen konnte.
Costello lachte. »Eine Frau, fast habe ich es gedacht.« Er trank Wein, nickte und stimmte Franco zu. »Ja, du hast recht, auch ich habe mich erst daran gewöhnen müssen. Vor einigen Jahren wäre so etwas nicht möglich gewesen, aber die Zeiten haben sich geändert. Die Frauen sind auf dem Vormarsch. Sie brechen in die Domänen der Männer ein. Wie ich gehört habe, sollen sie sogar die besten Bodyguards sein, die man sich denken kann. Sie sind an den Seiten ihrer Chefs und fallen dabei weniger auf als ihre männlichen Kollegen. Wer denkt schon daran, daß sich jemand von einer Frau beschützen läßt? Die wenigsten doch, und deshalb haben Frauen ihre großen Vorteile. Vor allen Dingen dann, wenn sie so gut ausgebildet sind wie Männer. Es erfordert ein Umdenken, aber der Erfolg hat schon vielen recht gegeben, das weiß ich auch. Ich habe mich erkundigt. Auch mir ist es am Anfang nicht leicht gefallen. Karina Grischin ist inzwischen einige Wochen bei uns. Ich habe keinen Fehler von ihr erlebt.«
»Ich auch nicht.«
»Wie schön.« Costello lächelte. »Dann müßtest du so denken wie ich, was du aber nicht tust.«
»Nein.«
»Wo liegt dein nächstes Problem?«
Franco hob die Schultern. »Ich traue ihr nicht, wenn ich das offen sagen darf.«
»Doch, ich wünsche es sogar. Ich sagte doch, Vertrauen und Offenheit gehören zusammen. Darf ich dich fragen, warum du ihr nicht vertraust? Was hat sie getan? Was ist dir aufgefallen?«
»Nichts.«
»Du enttäuschst mich, Franco.«
»Es ist das Gefühl.« Er wand sich und suchte nach den richtigen Worten. »Auch nach diesen vielen Wochen ist es nicht verschwunden. Es hat sich in der letzten Stunde noch verstärkt, seit wir den Bunker verlassen haben.«
»Hm.« Costello dachte nach. So richtig konnte er Francos Ausführungen nicht folgen. Er sagte nur: »Du meinst also, daß man
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