1058 - Vampir-Chaos
Zischen nicht gehört. Es war im allgemeinen Lärm untergegangen, aber der Rauch verteilte sich in den Haaren. Ich nahm seinen Gestank wahr. Der Geruch nach versengtem Fleisch wehte mir in die Nase. Ich dachte daran, daß sie aus Mallmanns Vampirwelt stammte, und mir fielen die beiden anderen Blutsauger ein, die mich im Flur vor der Wohnung hatten überfallen wollen.
Auch sie waren vergangen, auch sie hatten gestunken, denn sie gehörten zu den sehr alten Vampiren, die bei ihrer Vernichtung einen Weg gingen, wie ich ihn auch oft genug erlebt hatte.
Tyra verhielt sich nicht anders. Es war zu hören, wie sie schlapp wurde. Ich ließ sie los. Sie landete wieder auf dem Bauch, so daß ich freie Hand hatte.
Ich brauchte auch mein Kreuz nicht mehr. Tyra würde es bald nicht mehr geben. Ihr Kopf war bereits von einer stinkenden Rauchwolke umhüllt. Sie bewegte sich nicht. Kein Zucken. Sie lag einfach da. Aber der Druck unter der Kleidung verschwand. Der Körper blieb nicht mehr das, was er einmal gewesen war. Er brach innen auseinander. Das Gestell der Knochen zerknirschte.
All das passierte, war aber nicht zu hören, weil es in der hämmernden Musik unterging. Zu dieser Szene hätte der Titanic-Song besser gepasst.
Ich schaute über den Körper hinweg. Noch griffen die anderen Blutsauger nicht an. Bestimmt wußten sie noch nicht, was mit ihrer Anführerin geschehen war.
Mich kümmerte es nicht. Nur schrak ich zusammen und fuhr herum, als mir jemand auf die Schulter tippte.
Der Discjockey stand vor mir. Schweißnass im Gesicht. Ein offener Mund, große Augen. Er schüttelte den Kopf. Er verstand nichts.
Aber er sprach, und ich hatte Mühe, seine Worte zu verstehen.
»Was ist mit dieser Frau? Wer ist sie gewesen? Das… das … war doch kein Mensch mehr.«
»Richtig«, sagte ich.
»Und wer ist es dann…«
»Egal, wer. Nehmen Sie es hin.«
Es war leichter gesagt, als für ihn getan. Er sah indirekt, was mit der vernichteten Untoten passierte. Wie die Kleidung immer mehr zusammensackte, weil der Widerstand fehlte. Dieser Vorgang setzte sich auch an ihrem Kopf fort. Die Haare hatten nicht nur die Farbe verloren, sie lösten sich auch vom Kopf und blieben wie ein Ascherest zurück.
Selbst am Kopf zog sich die Haut zusammen, verlor die Farbe, wurde dunkel, was wir beide nicht sahen, denn das bunte Licht huschte auch in unsere Umgebung und beherrschte sie mit anderen Farben.
Ich wußte, daß der junge Mann Fragen hatte und schüttelte schon im Voraus den Kopf. »Sie fragen nichts mehr. Sie bleiben hier oben, auch wenn es Ihnen schwer fällt. Ich muß mich um andere Dinge kümmern. Haben Sie verstanden?«
Er nickte einfach nur.
Es hätte keinen Sinn gehabt, ihm von den anderen Blutsaugern zu berichten, die sich noch in der Disco herumtrieben. Die genaue Zahl wußte ich auch nicht und hoffte nur, daß sie sich in einem gewissen Rahmen hielt. Alles andere würde ich erledigen.
Keiner der Gäste hatte auf uns geachtet. Für sie war die Musik wichtig. Abrocken, den Frust des Tages vergessen, alles andere interessierte sie nicht.
Ich blieb noch auf der Treppe stehen, da ich von hier aus einen besseren Überblick hatte. Wäre alles normal gewesen, ich hätte die Untoten sicherlich gesehen. Aber hier war nichts normal. Zumindest für mich nicht. Das Licht irritierte. Es war mehr dunkel als hell.
Menschen glichen verzerrten Schatten, die sich hektisch bewegten.
Ich kam mit meinem sicheren Blick nicht mehr zurecht.
Wo steckten sie?
Verborgen in der Masse der Tänzer? Eine gute Tarnung. Oder in den dunkleren Orten, die es auch noch gab, denn das bunte Licht erreichte nicht alle Ecken. Das wären ideale Verstecke für die Blutsauger gewesen. Von meinem Standort aus lagen sie leider zu weit entfernt.
Ich wollte auch nichts verändern. Hätte ich die Anlage ausgestellt, wäre es zu einem mittelschweren Protest gekommen, und das war nicht in meinem Sinne.
Manchmal gab es Lücken. Da wogten die Tänzer dann zu verschiedenen Seiten hin weg, als hätten sie die entsprechenden Befehle erhalten. Darauf wartete ich. Die Lücke mußte groß genug sein. Der freie Durchblick war wichtig.
Ich ging die restlichen Stufen hinab. Der DJ blieb zurück, aber ich hörte ihn trotz des Lärms schreien und drehte mich deshalb wieder herum.
Er stand auf seinem Platz, den rechten Arm ausgestreckt. Sein Gesicht schien eingefroren zu sein. Sprechen konnte er nicht. Er wollte mich nur auf zwei Gestalten aufmerksam machen, die von der Seite
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