1065 - Die Blutquellen
Autos fuhren langsam durch die Straßen. Auch die alten Fließbänder für den Torftransport waren noch vorhanden und ebenfalls die Gleise, auf denen die Loren zu den Torfgebieten gefahren waren.
Walter Wing hatte bei einer Mrs. Dolby gewohnt. Um ihr Haus zu erreichen, fragten wir uns durch.
Es lag am Rand des Ortes, mehr zur Sumpfgegend hin.
Uns fiel auf, daß sich die Menschen hier auf den Tourismus eingestellt hatte. In fast jedem Haus wurden Zimmer vermietet. Noch gab es viele freie. In ein, zwei Monaten würde sich das geändert haben.
Das Haus war ein älterer Bau. Etwas krumm, zudem bewachsen. Davor stand eine Bank, und die Haustür war nicht geschlossen. Als wir den Wagen anhielten, tauchte in der offenen Tür eine Frau auf, die einen mit Wäsche gefüllten Korb trug und ihn abstellte, als sie uns sah.
Gespannt schaute sie zu, als wir ausstiegen. Sie war ungefähr 45 und recht klein. Sie trug ein Kopftuch und eine Schürze über dem Kleid und hatte ein rundes Gesicht mit freundlichen Augen.
Noch bevor wie sie ansprechen konnten, redete sie mit uns. »Sollten Sie Zimmer suchen, dann sind Sie bei mir an der richtigen Stelle. Ich habe noch welche frei.«
»Die suchen wir tatsächlich«, sagte Bill. »Und zwar zwei.«
»Können Sie haben.«
»Jetzt?«
»Ja, natürlich.«
»Dann holen wir unser Gepäck.« Es bestand aus zwei Reisetaschen, die wir in das Haus hineintrugen, in dem Mrs. Dolby auf uns in der Küche wartete. Sie nannte uns einen Preis, den wir sofort akzeptierten, dann aber wunderte sie sich, daß wir ihren Namen kannten, denn Bill hatte sie mehrmals damit angesprochen.
»Sie sind also bewußt zu mir gekommen, nicht wahr?«
Wir gaben ihr recht.
»Und weshalb? Hat man Ihnen einen Tip gegeben? Waren Sie im Informationsbüro? Das gibt es nämlich jetzt hier.«
»Nein, Mrs. Dolby«, sagte ich, »aber ein Bekannter hat hier bei Ihnen gewohnt. Ein Walter Wing.«
»O Gott«, sagte sie und trat einen Schritt zurück. »Das stimmt.« Sie nickte. »Aber er ist verschwunden. Er ist weg. Er hat nicht einmal sein Gepäck mitgenommen. Seit vier Tagen ist er nicht mehr hier bei mir aufgetaucht. Ich glaube auch nicht, daß er noch einmal zurückkommen wird. Nein, das glaube ich nicht.«
»Hat er Ihnen denn keinen Grund für sein Verschwinden genannt?« fragte ich.
»Nein, Mister… äh…«
»Ich heiße Sinclair. John Sinclair. Und das ist mein Freund Bill Conolly. Wir haben uns hier eigentlich mit Walter Wing treffen wollen.«
Mrs. Dolby schüttelte den Kopf. »Davon hat er mir nichts gesagt. Ehrlich.« Sie schaute uns treuherzig an. »Er ist einfach weggeblieben, und ich habe mir Sorgen gemacht.«
»Das können wir uns denken«, stimmte ich zu. »Hat Walter Wing Ihnen nicht mitgeteilt, wohin er gehen wollte? Was hat er überhaupt den ganzen Tag so unternommen?«
Sie mußte überlegen. »Genaues kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Ich weiß nur, daß er viel unterwegs gewesen ist. Sagen wir mal: Er ist gewandert. Immer am Tag und in der Umgebung, nehme ich mal an. Er war davon begeistert. Glastonbury ist für ihn ein wahres Wanderparadies gewesen.«
»War er auch in der Nacht unterwegs?« fragte Bill.
»Ja, das auch«, gab sie zu.
»Auch in der Nacht seines Verschwindens?«
Ihr Blick flackerte etwas. »Jetzt, wo Sie mich darauf ansprechen, fällt es mir wieder ein. Da hat er am Abend noch eine Kleinigkeit gegessen. Dann verabschiedete er sich und kehrte nicht mehr zurück.«
»Haben Sie denn eine Vermißtenanzeige aufgegeben?«
»Nein, Mr. Conolly, das habe ich nicht.« Sie bekam einen roten Kopf. »Mit so etwas habe ich mich nie beschäftigt.«
»Das kann man auch nicht verlangen.«
Ich stellte eine weitere Frage. »Hat er denn nie mit Ihnen über seine Ausflüge gesprochen?«
»Auch das nicht.«
»Sie haben auch nicht gefragt?«
Mrs. Dolby lächelte verlegen. »Nun ja, hin und wieder schon. Ich wollte ja wissen, wie einem Fremden unsere Umgebung gefällt, aber er hat mir nie eine richtige Antwort gegeben.«
»Welche dann?«
Sie winkte ab. »Ich weiß nicht, ob man das für bare Münze nehmen soll, Mr. Sinclair. Er hat mal davon gesprochen - das war ein Tag vor seinem Verschwinden -, daß ich und die anderen hier wie auf einem Pulverfaß leben.«
»Interessant.«
»Nein, Mr. Sinclair, so auch nicht. Ich glaube, er hat es mehr scherzhaft gemeint. Vielleicht dachte er auch an den Sumpf, der gar nicht so ungefährlich ist. Oft genug wird er von Touristen unterschätzt.
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