1070 - Marens kleiner Horror-Laden
etwa einen Schritt vor ihm stehenblieb. War er es, der das Unheil verbreitete? Noch wußte ich es nicht. Ich schaute ihn mir noch einmal an und sah auch den Totenschädel an seiner Unterseite. Er war perfekt in den Rahmen hineingearbeitet worden, beulte ihn praktisch aus und schien den Betrachter selbst anzuschauen, der sich für ihn interessierte.
»Nun? Was sagst du?«
»Noch nichts, wenn ich ehrlich bin.«
»Spürst du denn nichts?«
»Nein.« Das war nicht gelogen, denn auch mein Kreuz meldete sich nicht. Wie jeder andere normale Kunde stand auch ich vor dem Spiegel und betrachtete ihn.
Gut, seine Wiedergabe war nicht perfekt. Das konnte auch am Glas der Vitrine liegen. Ich sah mich in der hellen Fläche schon ein wenig verzerrt.
»Dann können wir ihn vielleicht vergessen?« fragte Maren.
Ich wiegte den Kopf. »Das will ich nicht sagen. Ich möchte mich noch damit beschäftigen. Kannst du die Vitrine aufschließen, bitte?«
»Kein Problem.« Sie verschwand von meiner Seite, um einen Schlüssel zu holen. Wenig später war sie wieder da und schob ihn vorsichtig in den schmalen Spalt des Schlosses hinein. Sie drehte ihn zweimal, dann war sie in der Lage, die Scheibe der Vitrine zur Seite zu schieben, damit ich freie Bahn hatte.
Maren trat schnell zurück. Sie wollte wohl nicht zu nahe an den Spiegel herankommen, der mich interessierte. Ich brauchte nur ein kleines Stück vorzugehen, um ihn anfassen zu können, was ich auch sofort tat. Ich strich mit den Fingerkuppen über die Spiegelfläche hinweg. Ich wußte nicht, was ich erwartet hatte, aber ich war enttäuscht, denn sie stellte sich mir als normal dar.
Da gab es kein Kribbeln, keine Botschaft. Keine Wärme, die mir aufgefallen wäre, sie fühlte sich völlig normal an. Der Rahmen war es ebenfalls, den ich tastete, denn auch über ihn ließ ich meine Finger hinwegstreichen.
»Und?«
Ohne mich umzudrehen sagte ich: »Auch wenn es dich enttäuscht, Maren, aber ich spüre nichts.«
»Dann haben wir uns wohl geirrt.« Ihre Stimme klang enttäuscht.
»Abwarten.« Ich ging wieder einen Schritt zurück, um mich im Spiegel zu betrachten. Noch immer dachte ich daran, daß der Spiegel selbst verzerren sollte, und das wollte ich jetzt herausfinden.
Maren hatte gesehen, was ich wollte, und war deshalb zur Seite getreten, um mir Platz zu schaffen.
Ich kam mir vor wie eine Diva, als ich mich vor dem Spiegel drehte und wendete. Ich schaute mich aus allen möglichen Perspektiven an und suchte dabei nach Veränderungen, fand jedoch keine.
Auch Maren, die zugeschaut hatte, zeigte sich verwundert, denn sie sagte: »Das verstehe ich nicht. Er ist so anders als sonst. Jeder, der hineinschaute, hat immer davon gesprochen, daß er verzerrt. Aber bei dir…«
»Was nicht ist, kann noch kommen«, sagte ich und hängte den Spiegel kurzentschlossen ab. Durch den dicken Rahmen war er schwerer, als ich gedacht hatte. Ich drehte ihn auch, um mir die Rückseite anzuschauen, aber auch dort war nichts Auffälliges zu entdecken. »Sorry, Maren, aber im Moment habe ich mit dem Spiegel wirklich ein Problem. Er ist mir zu normal.«
»Dafür kann ich auch nichts.«
Ich lächelte ihr optimistisch zu. »Noch ist mein Pulver nicht verschossen. Wir werden mal schauen, ob er auch den letzten Test besteht.«
»Und wie soll das gehen?«
»Laß dich überraschen.«
Das wollte sie wohl nicht und fragte: »Willst du ihn vielleicht zerschmettern?«
»Nein, bestimmt nicht.« Vorsichtig hängte ich ihn wieder an seinen Platz.
Auf keinen Fall wollte ich, daß mit ihm etwas passierte. Ich brauchte ihn heil, um ihm sein Geheimnis entlocken zu können, falls es das überhaupt gab.
Es sollte der Test mit dem Kreuz werden!
Zwar hatte es sich bisher nicht bemerkbar gemacht, doch bei einem Kontakt konnte sich so etwas alles ändern. Bisher hatte Maren meinen Talisman noch nicht gesehen, und sie schaute mir verwundert zu, als ich das Kreuz hervorholte. Ihre Augen waren groß geworden. Darin las ich einen Ausdruck wie Staunen oder Ehrfurcht.
»So etwas habe ich noch nie gesehen, John, und ich kenne viele Kreuze, glaube mir.«
»Es ist auch etwas Besonderes und einmalig.«
»Was hast du damit vor?«
»Den Spiegel testen.«
»Aha und weiter?« Daß sie mich nicht begriffen hatte, sah ich ihr an, deshalb bat ich sie, sich direkt vor den Spiegel zu stellen, damit sie hineinschauen konnte.
Etwas verwundert kam sie meiner Bitte nach und wartete zunächst einmal ab, was ich tun würde.
Ich
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