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1071 - Die Urnen-Gang

1071 - Die Urnen-Gang

Titel: 1071 - Die Urnen-Gang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Karten verkauft hatten. Eine alte Bank war auch noch vorhanden, aber sie sah sehr morsch aus. Und wo einmal die Fahrpläne an der Wand gehangen hatten, gab es nur noch klebrige Fetzen zu sehen.
    Der Boden war gefliest. Auch von den Steinplatten sahen wir nicht mehr viel, denn der Wind hatte all den Schmutz und Dreck in die kleine Halle geweht und ihn als einen dicken Teppich liegen lassen. Er war etwas feucht und leicht rutschig.
    »Idealer Treffpunkt«, sagte Suko. »Was schätzt du, wie lange der Bahnhof schon außer Betrieb ist?«
    »Fünfzig Jahre und mehr.«
    »Denke ich auch.«
    Ich blieb stehen. Suko warf noch einen Blick hinter den Schalter, ohne jedoch etwas entdecken zu können. »Da ist nichts mehr vorhanden. Selbst die Pulte und Stühle nicht.«
    »So was kann man immer gebrauchen.« Ich war vor dem Ofen stehengeblieben und betrachtete ihn genauer. Ein runder Ofen mit dem winkligen Rohr, das unter der Decke verschwand. Wo es den Kontakt mit der Wand bekommen hatte, sah das Gemäuer sehr schwarz aus. Nicht nur durch den Ruß, sondern auch wegen der zahlreichen Spinnweben, die dort als mehrere Netzte übereinander lagen.
    Eigentlich hätte der Ofen von einer Schicht aus Staub bedeckt sein müssen. Das war bei ihm nicht überall der Fall. Es gab genügend freie und beinahe schon blanke Flächen. Für mich ein Beweis, daß er in der letzten Zeit oft genug angefaßt worden war. Es stimmte ja auch, die Killer hatten durch ihn ihre Zeichen gesetzt.
    Papier oder Holz sah ich nicht. Wahrscheinlich hatten sie das Brennmaterial selbst mitgebracht.
    Es gab zwei Klappen. Eine größere unten, die kleinere darüber. Ich zog die untere auf. Sofort entstand ein Zug, der mir graue Ascheteilchen entgegenwehte. Reste des Zeugs, das die Killer hier im Ofen verbrannt hatten.
    Ich drückte die Tür sehr schnell wieder zu und drehte mich zu Suko hin um. »Stimmt alles.«
    »Hast du daran gezweifelt?«
    »Nein, später nicht mehr, aber wir sollten uns entscheiden, wie wir vorgehen.«
    Er räusperte sich und schaute mich dabei scharf an. »Bleibt es bei deinem Plan? Sollen wir hier etwas verbrennen, um auf uns aufmerksam zu machen?«
    »Wenn ja, dann jetzt. Noch ist es hell.« Suko verzog das Gesicht. »Ich habe trotzdem meine Bedenken, wie du dir vorstellen kannst.«
    »Was schlägst du vor?«
    »Eine kleine Autofahrt. Wir haben das Haus oder das Gut des Majors noch nicht gesehen. Wir wissen nicht einmal, in welche Richtung wir fahren sollen. Es wäre schon gut, wenn wir uns einen ersten Eindruck verschafften. Da würde uns die bald hereinbrechende Dämmerung zudem einen guten Schutz bieten.«
    »Und dann? Wie geht es weiter?«
    »Keine Ahnung. Da sollten wir uns überraschen lassen. Es wäre allerdings ungefährlicher und gesünder, als würden wir deinem Vorschlag nachkommen. Denke ich zumindest.«
    Mein Lächeln fiel kantig aus. »Ich weiß, du befürchtest, daß alles schiefläuft.«
    »Das kann ich nicht abstreiten.«
    »Gut, Suko, schließen wir einen Kompromiß.«
    »Und der wäre?«
    »Noch wird es mindestens eine halbe Stunde hell bleiben. Auch deshalb, weil der Wind einige Wolken zur Seite getrieben hat. Wir können den Trip machen, kehren anschließend wieder zurück, falls uns nicht etwas dazwischenkommt, und heizen dann den Ofen an, wenn wir hier in der alten Bahnhofshalle stehen.«
    »Keine schlechte Idee.«
    »Bist du einverstanden?«
    »Habe ich eine Alternative?«
    Ich hob die Schultern. »Im Moment jedenfalls nicht.«
    »Außerdem möchte ich dich nicht gern auf dem Rost brennen sehen oder erfahren müssen, daß man dich in ein Krematorium gesteckt hat. Das geht mir gegen den Strich.«
    »Danke für deine Fürsorge.«
    »Ach, hör auf.«
    Wir schauten uns noch einmal um. Es hatte sich nichts verändert, es war nach wie vor still in der Halle geblieben, aber auch draußen hatte sich die Stille ausgebreitet, denn das Singen und Zwitschern der Vögel war verstummt.
    Diesmal verließ Suko als erster die alte Bahnhofshalle. Für einen Moment blieb er stehen und schaute zu den Gleisen hin, deren Metall längst von einer Rostschicht überzogen war. Das störte uns nicht weiter, es war vielmehr etwas anderes, das uns dazu zwang, in diesem Moment den Atem anzuhalten.
    Wir hörten das leise Singen einer Frauen- oder einer Mädchenstimme. Ein Lied, das uns entgegenwehte. Ein Kinderlied, das ich in der Schule gelernt hatte.
    »Here we go round the mulberry bush… the mulberry bush… the mulberry bush…«
    Suko schaute

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