1071 - Die Urnen-Gang
schöner Name.«
Sie zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht. Ramona gefällt mir besser, aber man hat mich Kathy genannt.«
»Wir finden ihn toll, nicht, Suko?«
»Klar doch.«
»Kommst du von hier?«
Sie lachte mich aus. Auf ihren Wangen erschienen zwei Grübchen. »Kann sein. Aber nicht aus London.«
»Und du magst Blumen.«
»Stimmt.«
Ich merkte, wie Suko neben mir den Kopf schüttelte und dabei die Stirn furchte.. »Irgend etwas stimmt nicht mit der Kleinen. Ich weiß nicht, was, aber ich habe so ein seltsames Gefühl.«
»Warum?«
»Keine Ahnung. Sie strahlt etwas aus, mit dem ich nicht zurechtkomme. Vielleicht sollten wir mal näher an Sie herangehen.«
»Gute Idee - komm.«
Weit kamen wir nicht. Nach zwei Schritten schon, die wirklich nicht lang waren, griff Kathy ein.
»Stopp!« rief sie uns entgegen. »Ich will nicht, daß ihr herkommt.« Die beiden Schritte, die wir gegangen waren, entfernte sie sich auch wieder von uns.
»Warum denn nicht? Was hast du? Nein, wir wollen dir nichts tun!«
Beide Arme streckte sie uns entgegen. Dabei öffnete sie die Faust und ließ die gepflückten Blumen zu Boden fallen. »Ich möchte es wirklich nicht. Ihr sollt bleiben - ehrlich…«
»Was hast du denn gegen uns?«
»Geht weg. Geht weg! Ihr seid nicht von hier. Ihr seid schlecht.« Ihre Gesichtszüge hatten sich verändert. Sie schaute nicht mehr fröhlich und lächelnd, sondern jetzt nahezu bösartig. In ihr steckte eine Antipathie, die wir beide nicht verstehen konnten, denn wir hatten ihr wirklich nichts getan.
Suko schnüffelte. »Riechst du nickst?«
»Was denn?«
»Du kannst mich jetzt für einen Idioten halten, John«, flüsterte er, »aber ich werde den Eindruck einfach nicht los, daß es hier nach Asche riecht. Nach kalter Asche, nach Verbranntem.«
»Aus dem Kamin?«
»Nein. Der Geruch kommt von vorn.«
»Da ist Kathy.«
»Eben.«
Ich mußte erst einmal Luft holen. »Du meinst, daß Kathy… verdammt, diesen Geruch abgibt?«
»Das will ich nicht beschwören, aber es kommt mir beinahe so vor. Aus dem Kamin jedenfalls dringt der Geruch nicht. Darauf gehe ich mit dir jede Wette ein.«
»Dann müssen wir näher an sie heran.«
»Das ist es. Allerdings will sie nicht.« Suko schlug vor, daß wir sie in die Zange nahmen.
»Das ist mir zu hart.«
»Dann übernimm du es.«
Kathy hatte abgewartet und uns beobachtet. Bisher war ich nicht dazu gekommen, sie genau unter die Lupe zu nehmen. Diesmal schaute ich sie mir besonders genau an und konzentrierte mich dabei auf das Gesicht und auf die Arme, die vom Stoff des Kleides nicht bedeckt wurden. Wenn ich schon einen Punkt der Kritik suchte, dann mußte ich mir eingestehen, daß die Haut des Mädchens doch nicht so frisch aussah, wie sie auf den ersten Blick gewirkt hatte. Sie kam mir leicht angegraut vor, sie wirkte älter. Eben anders als bei einem normalen Menschen. Hinzu kam der leichte Geruch.
Es stimmte. Sukos Nase hatte ihn nicht in die Irre geführt. Auch ich nahm den leichten und kalten Brandgeruch wahr, der mir von der Tänzerin entgegenwehte. Sie kam mir wirklich vor, als hätte sie erst vor kurzem ein Krematorium verlassen, dessen Brandgeruch sich in ihrem Kleid festgesetzt hatte.
Ich hatte mich ihr ein wenig mehr genähert. So daß es nicht weiter aufgefallen war. Auch ihr nicht, denn sie war stehen geblieben und schaute mich an.
Plötzlich bewegte sie ihre Hand. Es war ein abwertendes Winken, und ihre nächsten Worte paßten dazu. »Warum verschwindet ihr nicht? Warum haut ihr nicht ab? Geht doch weg. Laßt mich allein. Ich will euch nicht haben.«
Ich versuchte es im Guten. »Bitte, Kathy, wir wollen dir wirklich nichts tun und nur einige Worte mit dir sprechen. Ist das so schlimm?«
»Ja.«
»Warum denn?«
»Weil ich es nicht will. Ihr gehört nicht hierher. Ihr gehört einfach nicht zu uns.« Die letzten Worte waren von einem regelrechten Fauchen untermalt worden, aber es schossen keine Flammen aus ihrem Mund.
Dafür erlebten wir etwas anderes, das beinahe ebenso schlimm und fast schon unglaublich war. Aus den blonden Haaren stieg dünner Rauch, und er wehte auch vor dem Gesicht entlang.
Suko hatte recht. Mit dieser Kathy stimmte einiges nicht. Ich wollte mich auch nicht mehr bremsen, denn ich ging davon aus, daß ich schneller war als sie.
Ohne Kathy durch ein Wort oder ein Zeichen Bescheid zu geben, startete ich. Diesmal war ich schneller als sie. Zudem hatte ich sie noch überrascht. Zwar drehte sie sich auf dem
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