1076 - El Toros Totentanz
Degen nicht an. Ich weiß, daß ich den Kampf nicht gewinnen kann. Ob mit oder ohne Waffe. Dieser Stier ist etwas Besonderes, das habt ihr mir gesagt. Ich bin nicht in der Lage, gegen ein derartiges Monstrum anzukämpfen. Noch einmal. Ich werde den Degen nicht nehmen.«
Diesmal sagte der Anführer nichts. Er wartete gelassen oder scheinbar gelassen ab. Bis er seinen beiden Leuten kurz zunickte.
Sie verstanden sofort. Im Gegensatz zu Vicente, der sich darüber wunderte, daß die beiden auf seine gefesselten Verlobte zu gingen. Noch während sie sich bewegten, griffen sie in die Taschen ihrer dunklen Kutten und holten Messer hervor. Der blaue Stahl schimmerte im schwachen Licht der Gestirne, und Augenblicke später standen sie rechts und links der gefesselten Juana und drückten die Klingen der Messer von zwei Seiten gegen ihren Hals.
»Nein, das könnt ihr doch nicht machen!« jammerte sie.
»Doch, es ist unser Gesetz.« Der Anführer hatte gesprochen, der sich sofort wieder an den Torero wandte. »Du kannst es dir überlegen. Ich lasse dir die Wahl. Wenn du dich dem Stier nicht stellen willst, wird der Hals deiner Freundin von zwei Seiten eingeschnitten. Das ist mein letztes Wort an dich.«
In Ortega tobte eine Hölle. Zwar stand er noch immer auf seinem Platz, aber er konnte seine Hände nicht ruhig halten. Er schloß sie zu Fäusten, öffnete sie wieder und starrte auf den Degen, der noch immer hingehalten wurde.
Dann der Blick zu Juana. Sie schüttelte den Kopf. »Bitte, Vicente, nimm auf mich keine Rücksicht. Tu es nicht. Du wirst so oder so verlieren. Ich flehe dich an.«
Er starrte ins Leere. Wie jemand, der einen anderen nicht mehr anschauen wollte. Die Entscheidung fiel ihm wahnsinnig schwer. Wahrscheinlich war es sogar die schwerste seines Lebens.
»Ich warte nicht mehr länger…«
Durch Ortegas Gestalt ging ein Ruck. Er straffte die Schulter. Er hatte sich entschieden.
Vicente griff nach dem Degen!
***
Wir standen am Rand der Arena. Links und rechts breiteten sich die Banden aus. Sie waren mit roten Tüchern bedeckt, doch das alles interessierte uns nicht.
Wichtig waren die Menschen in der Arena. Und wir hatten viel von dem verstanden, was gesagt worden war. Es ging jetzt ums Ganze. Um alles oder nichts. Um Leben und Tod, aber dies auf eine besondere Art und Weise, eben durch den Kampf.
Mochte Vicente Ortega als Torero noch so gut sein, in diesem Fall war er chancenlos, das hatten Jane und ich eingesehen. Jane hatte schon eingreifen wollen, sie war allerdings von mir zurückgehalten worden, da ich den richtigen Zeitpunkt noch nicht sah. Ich wollte alle, auch den Stier. Außerdem wurde Juana von zwei mit Messern bewaffneten Typen bewacht, die sich allerdings entspannten, als der Torero nach dem Degen griff.
»Also doch!« wisperte Jane.
»Bleibt ihm etwas anders?«
»Er wird doch verlieren.«
»Ja, wenn er nicht rechtzeitig genug Hilfe erhält.« Sie warf mir einen bestimmten Blick zu, den ich mit einem Nicken beantwortete. Mein Plan stand fest. Ich würde erst dann eingreifen, wenn sich die Situation bot, um auch das Moment der Überraschung auf meiner Seite zu haben. Erst dann konnten wir möglicherweise etwas retten.
Der Sprecher trat zurück. Er hatte seinen Mann losgeschickt, um den Stier zu holen. Zum Glück befand sich seine Box auf der anderen Seite der Arena. So hatte er nicht in unsere Nähe gemußt.
Der Sprecher hob den Arm, senkte ihn dann.
Das Zeichen für den Helfer.
Ich fragte mich, wie sich der Stier verhalten würde. Es gab hier nicht nur einen Gegner, sondern zumindest zwei, wenn man Juana mitzählte. Seinen Dienern würde er nichts tun, denn sie waren schon so weit, daß sie ihn anbeteten.
Das Tor war offen.
Ein Schrei hallte über die leere Fläche. Der Anführer hatte ihn ausgestoßen. Er war gleichzeitig das Signal für den Stier, der seine Box verließ…
***
Er kam wie ein Rammbock!
Eine gewaltige Masse aus Muskeln und Kraft, getragen von vier mächtigen Beinen, die seinen Körper stützten und ihm noch mehr Gewalt und Tempo geben würden.
Einer wie Vicente Ortega kannte den Anlauf der Stiere. Er wußte, wie man ihm begegnete. Seine Mulete, das Tuch, trug er diesmal nicht bei sich, es war auch nicht nötig, der Stier wußte, wo sein Gegner stand.
Ortega war zur Seite gehuscht. Er wollte ihn nicht in die Nähe seiner Verlobten locken, sondern sich ihm woanders stellen. Vicente bewegte sich. Er ging, aber wie er ging, das sprach Bände. Er war längst
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