1078 - Im Bett mit einem Monster
über den Laufsteg bewegte.
Vor dem Boot blieb sie stehen. Es war einfach, auf Deck zu gelangen, denn zwischen dem Ufer und dem alten Kahn befand sich ein Steg, vor dem Coco stehengeblieben war.
Auch Melvin Miller ging nicht mehr weiter. Er nahm den leicht modrigen Geruch des stehenden Wassers wahr, der ihm in die Nase stieg. Die Oberfläche schimmerte dunkel. Ein paar Zweige trieben darauf. Sie sahen aus wie verfaulte, dünne Arme.
»Ich gehe mal vor«, sagte Coco und strich über seine Wangen. »Du kannst dann nachkommen.«
»Wann denn?«
»Ich rufe dich.«
Er versuchte es mit einem Scherz. »Aber laß mich nicht zu lange warten.«
»Nein, nein, bestimmt nicht. Ich weiß ja, was du willst. Und ich weiß auch, was ich will.«
»Ja? Was denn?«
»Laß dich überraschen.« Mehr sagte Coco nicht. Sie betrat den Steg, und Miller schaute wieder auf ihren Rücken. Er wurde aus dieser Person nicht schlau, die sich auch auf dem Deck des alten Kahns so grazil und locker bewegte. Ihm fiel ein, daß sie ihm erklärt hatte, in ihr Grab gehen zu wollen.
Komisch, jetzt konnte er darüber nicht einmal mehr lachen. Im Zelt schon, aber nun…?
Statt dessen spürte er den kühlen Schauer, der an seinem Körper entlang nach unten rann. Auch die Haut auf seinem Rücken spannte sich, und er merkte, wie die Nervosität immer stärker in ihm wurde. Es war kein positives Gefühl. Dieses Kribbeln war anders. Er konnte sich nicht einmal richtig freuen und dachte daran, daß manche Überraschung auch böse enden konnte.
Miller ging einige kleine Schritte vor und betrat die Planke. Sie sah weich aus, das Holz hatte Feuchtigkeit aufgesaugt, und auf der Oberfläche breitete sich eine dünne, schmierige Schicht aus, die recht glatt war.
Noch hatte Miller nichts gehört. Deshalb ging er weiter vor und blieb ungefähr auf der Mitte stehen.
Vielleicht hatte sie ihn schon gerufen, und er hatte es nicht gehört.
Miller wußte auch nicht, wie lange sie schon unter Deck war und was sie dort tat. Er zuckte kurz zusammen, als sie ihn rief.
»He, Mel, du kannst jetzt kommen.«
Miller schloß für einen Moment die Augen. Genau darauf hatte er gewartet. Er hätte jetzt jubeln können, doch er blieb so ruhig wie jemand, der einen normalen Weg geht und dabei nicht vor einem besonders wichtigen Ereignis steht.
Nach drei weiteren Schritten hatte er das alte Boot erreicht. Die Planken sahen so dunkel aus wie der Steg. Das Boot war irgendwie abgewrackt worden, denn das Ruderhaus bestand nur noch aus Fragmenten. Dorthin hatte sich Coco auch nicht zurückgezogen. Sie war in den Bauch des Schiffes geklettert, in dem früher einmal Ladung verstaut gewesen war.
Kein idealer Ort, um eine Schäferstunde zu verbringen, dachte Miller, und wieder spürte er das leicht ungute Gefühl. Andererseits wollte er auch nicht kneifen, da hätte er sich einfach nur lächerlich gemacht.
Er fand den Niedergang. Er sah die Stufen. An ihrem Ende schimmerte Licht. Es mußte aus einer offenstehenden Tür fallen, und Coco hatte dafür gesorgt.
Ein letzter Blick in die Runde.
Mel Miller war zufrieden. Niemand beobachtete ihn. Das Ufer war menschenleer, und so stieg er nach unten, um im Bauch des Schiffes zu verschwinden.
Er geriet in den Lichtschein und entdeckte seinen eigenen Schatten auf dem Boden. Die Tür stand so weit offen, daß er bequem hindurchgehen konnte.
Coco mußte ihn bemerkt haben, denn sie rief nach ihm. »He, komm doch endlich.«
»Ja, ich bin schon da.«
Der Schritt durch die Tür. Vor ihm lag eine andere Welt. Kerzenschein hüllte sie teilweise ein. Aber nur im vorderen Teil dieser Ladefläche, die hintere lag im Dunkeln. Dort verlor sich höchstens mal ein zuckender Reflex.
Coco hielt sich im vorderen auf, und Melvin Miller bekam große Augen. Er hatte ganz entfernt damit gerechnet, aber er hatte es nicht erwartet, denn Coco war es gelungen, so etwas wie ein Liebesnest im Bauch des Kahns zu gestalten.
Er sah das Bett, das so stand, um vom Schein der Flammen angeleuchtet zu werden. Vom Aussehen her erinnerte es mehr an eine große Kiste, die mit Kissen vollgestopft war, aber die Decken und Kissen waren nicht vergessen worden. Sie zusammen bildeten die dicke Unterlage, auf der Coco saß.
Sie sah aus wie immer, nur etwas hatte sich bei ihr verändert. Das Kleid lag jetzt auf dem Boden und sah aus wie eine schimmernde Schlangenhaut, die abgestreift worden war.
Coco war nackt.
Sie schaute ihm entgegen. Sie winkte ihm zu. Sie lächelte. Im Licht
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