108 - Der schwarze Würger
kommt."
„Sie haben uns überzeugt, Olivaro", sagte Unga. Er wandte sich um und deutete auf den Samurai mit der Maske, der wie versteinert dastand. „Aber was ist mit ihm? Was haben Sie mit Tomotada im Sinn, falls wir die Sache mit Vago zum Positiven wenden können? Er ist in unserem Bündnis ein zu unberechenbarer Faktor. Sie sollten ihn irgendwann fallenlassen.“
„Sie werden Ihre Meinung bestimmt ändern, wenn ich Ihnen Tomotadas Geheimnis verrate", sagte Olivaro voll Überzeugung. „Wußten Sie, daß Dorian Hunter, der Dämonenkiller, in seinem 5. Leben Tomotada und somit mein Werkzeug war?"
Als Coco und Unga schwiegen, erzählte er ihnen einige Einzelheiten über Dorians 5. Leben, die sie längst schon kannten. Doch Olivaro konnte nicht wissen, daß sie alles von Dorian selbst erfahren hatten.
Der Januskopf beendete seine Erzählung mit der Frage: „Willst du immer noch, daß ich Tomotada fallenlasse, jetzt, nachdem du weißt, daß sein Körper einst dem Dämonenkiller gehörte, Coco?" „Warum sollte mir etwas an dieser Mumie liegen?" fragte Coco zurück. Das Versteckspiel mit Olivaro amüsierte sie. „Ich habe zu ihr keinerlei Beziehung. Dorian wird dadurch nicht wieder lebendig."
„Wer weiß", sagte Olivaro, und seine Augen bekamen einen lauernden Ausdruck. „Vielleicht hat Dorian seine Unsterblichkeit gar nicht verloren. Alles weist darauf hin, denn es gelang weder Luguri noch euch, seinen Geist im Totenreich anzurufen. Wie willst du wissen, ob er nicht eine neue Wiedergeburt erfahren hat, Coco? Wie willst du wissen, ob er nicht in seinen früheren Körper - in den des Schwarzen Samurai - zurückgekehrt ist? Vielleicht steht Dorian in Tomotadas Gestalt vor dir." Coco wußte darauf nichts zu sagen; zumindest gab sie sich sprachlos. Olivaro konnte auch nicht ahnen, daß sein Bluff wirkungslos verpuffte, weil Coco definitiv wußte, daß Dorian noch am Leben und in der Maske des Richard Steiner hier war.
Welche Ironie!
Dorian war froh, daß er nicht im Mittelpunkt stand. Ihm würde seltsam schwindelig. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander.
Er blickte zu dem Schwarzen Samurai hinüber und wieder stellte er sich die Frage, wer er war. Um den Körper jenes Tomotada, der er in der Vergangenheit gewesen war, handelte es sich bestimmt nicht; dessen war er sicher. Er ahnte nur, um wen es sich handeln konnte, doch sicher war er sich nicht. Gewißheit konnte er sich nur verschaffen, wenn er sich an sein Leben als Tomotada erinnerte. Es mußten Anhaltspunkte geben, die die Identität von Tomotada II. eindeutig klarstellten.
Es war im Jahre 1608 christlicher Zeitrechnung gewesen, als er sich mit seiner Gefährtin Tomoe auf die Suche nach ihrem gemeinsamen Kind machte. Tomoe hatte es einem Mönch anvertraut, ohne zu wissen, daß es sich um einen Mitsu-me Nyodo handelte, der ein grausamer Dämon mit einem dritten Auge an der Spitze seiner Tonsur war. In seiner maßlosen Wut hatte Tomotada dem dreiäugigen Mönch mit dem Tomokirimaru den Kopf abgeschlagen, aber dadurch auch Tomoes Tod herbeigeführt - denn sie war bereits eine Sklavin des Dämons gewesen.
Die Bilder zogen wie im Zeitraffer an Dorians geistigem Auge vorbei. Vor dem Tod des Mönchs hatte er von diesem noch erfahren, daß er seinen Sohn an eine Amme verkauft hatte, die in den Bergen wohnte. Dorthin machte sich Tomotada auf den Weg. Er wußte, daß er dabei von seinem Kokuo beobachtet wurde, dem er die Treue gebrochen hatte.
Und dieser Kokuo vom Tokoyo - der Herrscher von Niemandsland - war niemand anderer als der Januskopf Olivaro gewesen.
Vergangenheit, Japan 1608-1610,
Ich stelle Euch eine Frage, Ihr Herren, die Ihr die Hüter der Gerechtigkeit seid, die Ihr Moral und Ethik predigt: Wie mag einem Wesen zumute sein, dem es wegen seiner eigenen Schlechtigkeit schier das Herz im Leibe zerreißt, das versucht, vom Weg des Bösen abzukommen, Liebe empfinden und Wohlwollen mit Güte vergelten möchte, das aber unfähig ist, das Gute zu erkennen, unfähig, aus dem Teufelskreis auszubrechen, in dem es gefangen ist?
Ich wußte, wie einem solchen Wesen zumute war, aber ich konnte es niemandem sagen. In mir war eine Barriere, die ich einfach nicht überwinden konnte. Meinem Sprachschatz fehlten die Worte, den Zwiespalt meiner Gefühle auszudrücken. Mein Kokuo hatte dem einen Riegel vorgeschoben.
Ich war Tomotada, der Sohn einer Mujina, dazu verdammt, Gewalt zu säen und die Früchte des Bösen sprießen zu lassen. Dabei wußte
Weitere Kostenlose Bücher