1085 - Rattenliebe
siehst du nicht aus.«
»Danke. Außerdem ist es bei mir gemütlicher als hier. Du wirst überrascht sein.«
»Das bin ich jetzt schon.«
»Dann laß uns hier verschwinden.«
»Moment noch. Ich…«
»Was hält dich hier?«
»Der Blasendruck.«
Sie lachte und funkelte mich dabei an. »Okay, ich warte so lange. Stör dich nicht an dem Aussehen der sanitären Anlage. Sie ist nicht auf dem neuesten Stand.«
»Das hätte ich hier auch nicht erwartet.« Ich schob mich von der Bank und stand auf. Erst jetzt fiel mir auf, daß wir von den Gästen beobachtet worden waren. Ich versuchte, die Blicke der Leute zu deuten, was sehr schwer war. Die Dichte des Qualms hatte zugenommen, und so war es noch schwerer, die Gesichter zu sehen.
Manche Blicke kamen mir wissend vor. Andere wiederum wirkten so, als sollte ich bedauert werden, und deshalb fragte ich mich, wer von diesen Menschen hier alle Bescheid wußte, was diese Teresa tatsächlich vorhatte.
Die beiden Türen fand ich an der Seite. Die eine führte auf die Damen-, die andere auf die Herrentoilette. Man kann ja arm, aber man kann trotzdem bei aller Armut auch sauber sein.
Das war hier nicht der Fall. Der vordere Toilettenraum war gekachelt, aber die hellen Fliesen zeigten eine so dicke graue Schmierschicht, als hätte sich hier Asche verteilt. Über den Geruch will ich nicht sprechen. Ein offener Durchlaß führte in den eigentlichen Toilettenraum. Es gab keine Urinierbecken, dafür die alte Rille, die leicht geneigt zu einem Abfluß führte.
Aber ein Waschbecken war vorhanden, auch wenn ich keine Handtücher entdeckt hatte. Ich hätte diese Lappen sowieso nicht benutzt. Ich war die einzige Person innerhalb der Toilette, und etwa nach einer halben Minute wusch ich mir die Hände.
Das Wasser spritzte aus der Kranöffnung. Hier war nichts in Ordnung. Mit einem Taschentuch trocknete ich mir die Hände ab. Aus der Kneipe hörte ich keine Geräusche. Irgendwo war ein Fenster geöffnet, denn dadurch drang ein kalter Luftzug, der auch mich streifte. Das Fenster gehörte zur rechten der beiden Kabinen, hinter deren Türen auch die Schüsseln waren.
Von dort hörte ich ein Geräusch.
Es war nicht schlimm, nur der Klang überraschte mich, denn es klang, als wäre jemand dabei, mit einem nassen Lappen in regelmäßigen Abständen gegen den Boden zu schlagen.
Wenn ja, sah ich keinen Sinn darin.
Aber meine Neugierde war geweckt.
Ich ging auf die Tür zu und riß sie mit einem heftigen Ruck auf.
Die Kabine war eng. Ich sah die Toilette, das offene Fenster darüber, auch den Schmutz auf dem Boden. Doch das alles war zweitrangig. Viel wichtiger war der zuckende Teppich aus Pelz, der sich vor meinen Füßen in der engen Kabine bewegte.
Es war kein Teppich, es waren Ratten, verdammte Ratten…
***
Obwohl Teresa und ich über das Thema Ratten gesprochen hatten, war ich im ersten Moment wie gelähmt. Mit einem derartigen Anblick hatte ich nicht gerechnet. Obwohl die Umgebung nicht eben sauber aussah, paßten die Ratten trotz allem nicht in dieses Bild. Sie wirkten wie ein Traumbild oder eines, das ich hinter einer Glasscheibe sah.
Beides stimmte nicht. Sie waren echt. Keine Einbildung, nichts dergleichen. Jemand mußte sie herbefohlen haben, und das konnte nur Teresa gewesen sein.
Sie mußten durch das offene Fenster geklettert sein, denn zwei von ihnen hockten noch auf der Bank und glotzten mich an. Diese Tiere wirkten auf mich irgendwie fett und übersättigt. Wobei ich mich davon nicht täuschen lassen wollte. Ratten sind im Prinzip immer hungrig, und ich war so etwas wie eine ideale Beute.
Der Teppich aus Ratten sah auch mehr aus wie ein zuckender Klumpen, der sich in die kleine Kabine hineingedrängt hatte. Mäuler standen offen. Böse Augen schauten mich schillernd an, und plötzlich löste sich eine Ratte von der Fensterbank. Sie wuchtete auf mich zu. In Kopfhöhe flog sie heran. Mir gelang es noch, mich zur Seite zu drehen. So verfehlte mich das Tier und landete klatschend auf dem Boden. Die zweite Ratte sprang auch. Sie aber ließ sich auf und zwischen die Körper ihrer Artgenossen fallen.
Ich drehte mich.
Die erste Ratte war weg. In der zweiten Kabine war sie verschwunden und unter der Tür hergehuscht.
Wie lange ich auf der Stelle gestanden und auf die Ratten gestarrt hatte, wußte ich nicht. Jedenfalls wollten sie nichts von mir, sonst hätten sie mich schon attackiert. Sie waren mehr - eine Warnung.
Sie waren gekommen, um mir zu zeigen, daß sie das
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