1088 - Killer in der Nacht
John.«
»Wieso?«
»Das liegt doch auf der Hand. Zuerst war es der Vampir, und jetzt ein Killer.«
»Damit haben Sie doch nichts zu tun.«
Estelle verzog den Mund. »Ich weiß nicht, John. Ich weiß es wirklich nicht. Das ist mir alles zuviel. Da stürmt einiges auf mich ein, mit dem ich erst fertig werden muß.«
»Nein, Estelle, das geht Sie nichts an.«
»Weiß man es?« fragte sie nachdenklich zurück, was mich etwas mißtrauisch machte.
»Wohin bewegen sich Ihre Gedanken? Was stört Sie? Abgesehen von dem Toten. Wenn ich Ihre Worte korrekt interpretiere, dann habe ich ein wenig das Gefühl, daß Sie sich vor der Zukunft fürchten. Wenn ja, gibt es einen Grund?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, ob man das als Grund ansehen kann. Wahrscheinlich nur eine Folge meiner überreizten Nerven.«
»Erzählen Sie!«
»Aber lachen Sie mich bitte nicht aus.«
»Ich verspreche es.«
»Es war ja so«, sagte sie leise. »Bevor Sie kamen, war ich allein in der Wohnung. Klar, ich war nervlich nicht gut drauf, das, verstehen Sie sicher, aber ich hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr allein zu sein.« Sie lachte mich an. »Ja, so war es. Ich glaubte, Besuch bekommen zu haben, obwohl ich ihn nicht sah.«
Ich stellte die Tasse auf die Untertasse zurück. »Und warum glaubten Sie das?«
»Also gesehen habe ich keinen, nur gehört.« Sie strich ihre Haare zurück. »Keine Schritte oder Worte. Dafür glaubte ich, ein heftiges Atmen zu hören. Es war da. Mal vor, mal hinter mir. Auch mal an der Seite. So sehr ich mich auch anstrengte, ich habe hier keinen Menschen gesehen. Nur dieses verdammte Atmen hörte ich einige Male.«
Ich nickte ihr zu.
»Mehr sagen Sie nicht, John? Warum? Sie können mich auslachen und mich für eine Spinnerin halten, das hätte ich akzeptiert. Das Schweigen irritiert mich. Glauben Sie mir denn?«
Ich nickte ihr zu. »Durchaus, Estelle.«
»Ach!«
Ich ließ sie einige Sekunden im unklaren, bevor ich wieder das Wort übernahm. »Ich denke nicht, daß Sie sich geirrt haben. Das Atmen war schon da.«
»Das behaupten Sie so einfach?«
»Ich kann es, denn ich habe es ebenfalls gehört.«
Das war der Augenblick, in dem ich Estelle Crighton sprachlos bekommen hatte. Sie saß jetzt vor mir, schaute mich an und schüttelte sehr langsam den Kopf. »Das… das… sagen Sie nur einfach so oder?«
»Nein, ganz und gar nicht. Ich will Sie damit auch nicht beruhigen. Ich möchte Ihnen nur klarmachen, daß ich Ihnen glaube. Ich wiederhole mich. Das Atmen habe auch ich gehört.«
»Und Sie haben niemand gesehen?«
»So ist es.«
Estelle Crighton schüttelte den Kopf. »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr«, erklärte sie. »Da bin ich wirklich mit meinen Worten am Ende - sorry.«
»Ich leider auch momentan.«
»Das ist schlecht«, flüsterte sie. »Dabei habe ich mir schon Gedanken darüber gemacht, ob es eventuell der Schutzengel gewesen ist, der mich zweimal gerettet hat. Sie wissen ja, wenn man so etwas erlebt, dann huschen einem die wildesten Spekulationen durch den Kopf. Furchtbar ist das, wirklich furchtbar.«
»Und jetzt haben Sie Angst, nicht?«
Estelle schaute mich direkt an. »Angst?« fragte sie leise und überlegte noch. »Ich weiß nicht, ob man es Angst nennen soll. Ein wenig fürchte ich mich schon.«
»Was wollen Sie dagegen unternehmen?« fragte ich. »Es gibt da verschiedene Möglichkeiten. Sie können hier ausziehen und woanders übernachten. Das ist kein Problem.«
»Nein, das will ich nicht. So schlimm war es ja nicht.«
»Das kann man nie sagen, Estelle. Sie haben dieses Keuchen oder Atmen nicht allein gehört.«
»Das ist schon richtig. Wenn ich die Wohnung hier verlasse, dann komme ich mir wirklich vor wie eine dumme Pute. Und das möchte ich auf keinen Fall sein.«
»Gut, es ist im Moment Ihr Problem. Ich allerdings halte meinen Vorschlag aufrecht.«
Sie lächelte mich an. »Das finde ich auch toll und bin Ihnen dankbar. Aber Sie haben schon genug für mich getan. Außerdem will ich Ihre Zeit nicht unnötig in Anspruch nehmen. Ich denke schon, daß ich hier allein zurechtkomme. Ich glaube zwar nicht, daß wir beide uns die Geräusche eingebildet haben, aber sie können auch eine ganz natürliche Ursache gehabt haben. Eine Heizung, die falsch eingestellt wurde. Geräusche aus anderen Wohnungen und so weiter…« Sie sah die Skepsis auf meinem Gesicht und fragte: »Nicht?«
»Ich weiß es nicht«, erklärte ich. »Aber so leicht würde ich es mir
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