1089 - Horrorland
Herren…«
Wir stießen an, tranken der ersten Schluck und genossen die etwas süßliche Schwere des Weins. Es war ein starkes Getränk, dessen Wirkung sicherlich bald ins Blut ging. Zuviel durfte man davon nicht trinken.
»Schmeckt er Ihnen?« fragte Babette.
Suko zuckte nur mit den Schultern und überließ mir die Antwort.
»Ja, er ist nicht schlecht. Nur etwas ungewöhnlich, denke ich.«
»Wie meinen Sie das?«
»Er ist stark. Zwar kein Likör, aber ich denke, daß er schon ins Blut geht.«
»Da haben Sie recht.« Babette räusperte sich. »Mein verstorbener Mann war von ihm begeistert. Er hat ihn selbst hergestellt. Auf ihn war er fast so stolz wie auf seine Bilder.« Sie hob ihr Glas noch einmal an. »Cheers, meine Herren.«
Auch wir tranken. Der Wein rann zwar nicht so schwer wie Öl durch meine Kehle, aber viel fehlte nicht. Ich spürte auch den leicht süßlichen Nachgeschmack der irgendwie im Hals hängenblieb. An der Decke hingen Lampen, die ihr Licht in verschiedene Richtungen strahlten und auch uns trafen. Als ich das Glas wegstellte und zuvor einen Blick in die Höhe warf, kam es mir vor, als wären die Lampen dabei, sich zu bewegen oder leicht zu schwanken.
Ich schüttelte den Kopf, schloß die Augen und hörte, wie uns Babette bat, Platz zu nehmen. Ich setzte mich in einen grünen Sessel.
Suko fand seinen Platz in einem schwarzen, der verschieden große gelbe Punkte aufwies.
Babette saß auf der Couch. Die tiefen, weichen Polster hatten eine rostrote Farbe. In der rechten Hand hielt sie ihr Weinglas, den linken Arm hatte sie angehoben und über die Rückenlehne gelegt. Dabei wippte sie mit den Beinen leicht hin und her, schaute uns an, und ich hatte den Eindruck, daß in ihren Pupillen glitzerndes Eis lag, das im Begriff war, zu schmelzen.
Den Mantel hatte sie ausgezogen. Als Oberteil trug sie eine schimmernde Bluse aus violettem Seidenstoff, die locker über den Gürtel der Hose hinwegfiel.
»Sie sind so schweigsam. Das waren Sie im Kaufhaus nicht. Woran kann es liegen? An der Umgebung?«
Ich nickte langsam. »Sie ist schon beeindruckend, das gebe ich gern zu, Mrs. Caine.«
»Sagen Sie doch Babette.« Sie lächelte. »Ja, mein Mann war schon auf seinem Gebiet Spitze.«
»Aber er hat nur düster gemalt.«
Sie zuckte die Achseln. »Was wollen Sie, Mr. Sinclair? Er hat gemalt, was ihm in den Sinn kam.«
»Oder was er sah«, sagte Suko.
»Oh, wie kommen Sie darauf? Meinen Sie etwa, daß er all das gesehen hat, was er auf die Leinwand gebracht hat?«
»Ich könnte es mir schon vorstellen.«
Babette schob die Unterlippe vor. »Dann muß er wirklich an einem Platz gewesen sein, wo es so aussieht. So düster und nebelverhangen. Kennen Sie einen derartigen Ort?«
»Nein, auf Kommando fällt mir nichts dazu ein.«
»Das dachte ich mir.«
»Sie klingen so sicher.«
»Das täuscht. Aber mein Mann hat zahlreiche Reisen unternommen.« Sie stellte das Glas weg und tippte gegen ihren Kopf. »Nur Reisen in der Phantasie. Da hat er dann das gesehen, was er der Nachwelt hinterließ. Ein wildes Land, in dem alles so scheint wie auf dieser Welt, es aber nicht ist.«
»Hat diese Welt einen Namen?«
Babette hob die Schultern. »Für ihn schon. Für ihn war es das Größte. Er hat immer gewußt, daß hinter den alten Geschichten und Überlieferungen mehr steckt als die Leute glauben wollen.« Sie rieb Daumen und Zeigefingerkuppe gegeneinander. »Er wußte viel. Er wollte alles herausfinden, und er liebte die Märchen und fremden Welten über alles. Er spürte den Drang, sie den Menschen zu zeigen und auch der Nachwelt zu überlassen.«
»Das haben wir ja gesehen«, sagte Suko. »Wissen Sie auch, woran er gestorben ist?«
»Ich konnte es doch sehen.«
»In seinem Körper steckte ein Parasit.«
»Ja.«
»Woher kann er ihn nur gehabt haben, Babette? Kennen Sie vielleicht die Lösung?«
»Nicht direkt, denke ich.«
»Was wissen Sie denn?«
»Ich sagte Ihnen doch, mein Mann war fest davon überzeugt, daß es die Welten tatsächlich gibt, die er malte. Und so hat er sich eben auf die Suche gemacht.«
»Hat er sie gefunden?«
»Er sprach wenig darüber.«
Das wollte Suko nicht akzeptieren.
»Sie waren seine Frau. Sie müssen doch gewußt haben, was Ihr Mann tat.«
»Ich war nicht immer bei ihm. Auch ich habe ein Leben. Ich wollte mich nicht nur auf ihn konzentrieren. Er wollte oft allein bleiben, wenn er malte. Er war dann in sich versunken. Jerry erlebte die Welt, die er malte, so
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