1089 - Horrorland
mich. »Trotz allem scheinen Sie nicht eben sehr traurig zu sein.«
Gelassen hob sie die Schultern. »Stört Sie das?«
»Es ist zumindest ungewöhnlich.«
»Mag sein«, erklärte sie nickend, um sich mir dann zuzudrehen.
»Wer sind Sie überhaupt, daß sie derartige Fragen stellen? Die sind recht ungewöhnlich für einen Polizisten.«
»Mein Name ist John Sinclair. Scottland Yard.«
»Na ja…«
»Um noch einmal auf meine Frage zurückzukommen. Sie scheinen nicht sehr traurig zu sein, wenn ich das richtig gesehen habe. Sie kommen mir eher vor, als hätte das Ableben Ihres Mannes etwas bestätigt, was sie schon lange geahnt haben.«
»Sie sind ein guter Beobachter, Mr. Sinclair.«
»Das bringt der Job so mit sich.«
Auch Tanner war zu uns gekommen, um zu hören, worüber wir uns unterhielten. Er bekam auch meine Frage mit. »Was macht Sie so sicher, daß Ihr Mann dieses Schicksal erleiden würde?«
»Er war eben anders.«
»Das ist mir zuwenig.«
»Er hatte keine Arbeit. Er war nur zu Hause. Er konnte sich nicht mit profanen Dingen beschäftigen. Hin und wieder nahm er einen Job an, aber nur, was ihm gefiel. Er erzählte gerne Geschichten und freute sich immer, wenn seine Zuhörer staunten, denn er erklärte ihnen, daß es keine Märchen waren, die er ihnen berichtete.«
»Sprach er aus eigenem Erleben?«
»Auch das.«
»Und Sie waren damit vertraut?«
»Sicher. Ich war seine Frau. Ich habe ihn schalten und walten lassen, aber ich habe ihn auch immer gewarnt, doch er hat nicht auf mich gehört. Er war fest davon überzeugt, etwas herausfinden zu müssen.«
»Was wollte er herausfinden?«
»Er mußte ein Schicksal aufklären.«
Mrs. Caine hatte mir die Fragen beantwortet. Allerdings waren diese Antworten für mich viel zu schwammig gewesen. Sie hatte mir nichts Konkretes gesagt. Jetzt hatte sie sich wieder gedreht und schaute ihren toten Gatten an.
»Wissen Sie, wie er ums Leben gekommen ist?« erkundigte sich der Chief-Inspector.
Babette Caine kräuselte die Lippen zu einem Lächeln. »Denken Sie, ich hätte ihn mir grundlos so genau angesehen? Er und ich wußten, daß es irgendwann passieren würde. Er hat sich wohl übernommen und einen Parasiten mitgebracht.«
»Woher?«
»Aus seiner Welt, von seinen Reisen, wie auch immer. Aber das ist jetzt vorbei.«
»Und was wollen Sie tun?« fragte ich.
»Ganz einfach. Was man in solchen Fällen tut. Ihn begraben lassen, Mr. Sinclair.«
»Sie haben an dem Hobby Ihres Mannes nicht teilgenommen, nehme ich an?« fragte ich.
»Nur bedingt oder zwangsläufig«, lautete die knappe Antwort.
»Und Ihr Mann ist keinem Beruf nachgegangen?«
»Nein.«
»Hatte er denn einen Beruf?« Mit meiner Frage wollte ich auf etwas Bestimmtes hinaus.
Sie nickte. »Das schon. Er ist Maler gewesen, Künstler. Ein guter und begabter Mann. Leider lag er mit seinen Bildern nicht im Trend. Ober hat sich nicht so stark um den Verkauf gekümmert. Jedenfalls blieb er auf den meisten seiner Werke sitzen, und wir lebten mehr von der Hand in den Mund oder von einem kleinen Erbe, das allerdings auch nicht mehr lange halten wird.«
»Ich habe das Buch angeschaut«, sagte ich, »und auch die Zeichnungen gesehen…«
»Sie sind von ihm. Wenn er sie betrachtete, fielen ihm dazu immer die passenden Geschichten ein, die er jedem erzählte, ob er sie nun hören wollte oder nicht. Deshalb nahm er auch diesen Job als Weihnachtsmann an, obwohl er beschissen entlohnt wurde. Aber er hatte seine Zuhörer und seinen Spaß.«
»Kindergeschichten waren das nicht.«
»Das habe ich auch nicht behauptet.«
»Wo leben Sie, Mrs. Caine?«
»Hier in London. Nicht weit vom Ufer der Themse entfernt.« Sie lachte. »In einem Loft, wie Jerry immer so schön zu sagen pflegte. Für mich ist es eine Bruchbude gewesen. Aber sie war genau das richtige für ihn. Er hatte dort den Platz, den er brauchte, und konnte seine Bilder aufstellen, ohne daß sie störten.«
»Kann ich mir Ihre Wohnung und die ausgestellten Werke anschauen?« erkundigte ich mich.
»Wenn Sie wollen. Aber lassen Sie mich noch einen letzten Blick auf meinen Mann werfen.«
»Bitte.«
Als sie ging, hörte ich hinter mir eine bekannte Stimme. »Und ich werde mit dir gehen, John.«
Ich drehte mich um und schaute Suko ins Gesicht. Im Hintergrund hielt sich Glenda auf, die etwas verlegen lächelte.
»Soll ich fragen, wo du so plötzlich herkommst?«
»Erstens durch die Glastür, und zweitens war Glenda so nett, mich anzurufen. Sie hat
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