109 - Kastell des Dämons
„Ja,
ich weiß. Aber dieses Risiko müssen wir eingehen. Ich muß versuchen, zunächst
den Geist Lady Carmens noch mal zu rufen. Sie wollte mir etwas sagen. Aber ihre
Stimme war zu leise. Was ich Ihnen bis jetzt mitgeteilt habe, ist sicher nur
die Spitze des Eisbergs, die sichtbar geworden ist. Wir können mehr erfahren,
wenn wir stark genug sind. Wir müssen mehr erfahren, um das Grauen in seine
Schranken zurückzuweisen. Wir müssen zu viert sein, mindestens. Könnten Sie dafür
sorgen, noch zwei Personen beizuschaffen, die uns helfen, den geistigen Ring,
von dem ich gesprochen habe, zu bilden?“
Larry dachte
an Amos Slythe und an Morna, und er nickte.
Er mußte
alles daransetzen, den Dingen so schnell wie möglich auf den Grund zu kommen.
Er führte
Mary hinaus in den Park. Er mied die Nähe der fünf Gräber. Der Spaziergang,
ohne die makabre Kulisse vor Augen, würde ihr guttun.
Mehr als
einmal blieb sie stehen und lauschte, als nähme sie eine innere Stimme wahr.
„Nichts“,
sagte sie. Es war bereits fünf Uhr. Es fing schon wieder an zu dämmern, noch
ehe es heute richtig Tag geworden war. Die Nebelfelder über den Wiesen und
zwischen den Baumstämmen verdichteten sich.
„Alles tot,
Larry. Hoffentlich bleibt es nicht so.“
Mit jeder
Stunde, die verging, mit der sie der schaurigen Nacht näher kamen, wuchs die
Gefahr.
●
Mary Hotkins
wollte in der Nähe des Kastells bleiben. X-RAY-3 war bereit, die Freelys über
das Experiment einzuweihen, das stattfinden sollte, um den Dämon zu entlarven,
der zum Menschenmörder geworden war.
Dies würde
auch im Sinn der Freelys sein, denn: war ihre kleine Tochter nicht nur ein
Trugbild, das sie sehen durften, weil der Dämon hier wirkte?
Larry wollte
um Mornas und Amos’ Unterstützung bitten, vorausgesetzt, daß es zu der
geplanten Seance kam.
Amos ließ ihn
in das Haus.
Den Hausherrn
konnte X-RAY-3 nicht sprechen. Sir William hielt sich in der Galerie auf, in
der er seine Gemälde betrachtete. Das konnte Stunden dauern.
„Morna ist
nicht da“, erfuhr er von Amos. „Ich habe sie den ganzen Tag noch nicht
gesehen.“
Mrs. Freely
klärte die Situation auf. „Ich habe sie schon vor dem Mittagessen nach
Launceston geschickt. Sie erledigt dort eine Reihe von Besorgungen. Es kann
leicht Abend werden, bis sie wieder zurück ist.“
Vier Personen
mußten sie sein. Ob er es wagen konnte?
Er wagte es.
Dorothy Freely war zwar eine ernste, unnahbare wirkende Person, aber sie würde
Verständnis haben für ein Unternehmen, das in seiner Art nicht alltäglich war.
Er fing es
geschickt an und fand die richtigen Worte, um sich erst mal Gehör zu
verschaffen. Dabei benutzte er als Einleitung, daß er sich nicht durch einen
Zufall hier aufhalte, sondern beauftragt sei, dem unheimlichen Geist im Kastell
der Dunnerdon endlich das Handwerk zu legen.
„Ich glaube
nicht an diesen Geist“, sagte sie mit ihren schmalen Lippen. „Aber es war schon
immer mein Wunsch, an einer spiritistischen Sitzung teilzunehmen. Wenn ich es
kann, möchte ich Sie unterstützen.“
Larry wäre es
lieber gewesen, Morna wäre zurückgekommen, und er hätte die Erlaubnis einholen
können, die Schwedin mit hinübernehmen zu können.
Die Sache hat
nämlich einen Haken. „Ich muß Sie auf etwas aufmerksam machen, Madam.“
„Ja, Mister
Brent?“
„Niemand
weiß, wie die Sitzung verläuft. Auch das Medium nicht. Es können Kräfte
auftreten, die uns bedrohen.“
„Daran glaube
ich nicht.“
„Man wird
Namen nennen. Das Medium wird die Namen derer rufen, von denen man glaubt, daß
sie durch den schrecklichen Geist in jenem Haus dort drüben ums Leben gekommen
sind. Dabei wird auch der Name Ihrer Tochter fallen. Vielleicht wird sie sogar
erscheinen.“
„Aber Mister
Brent. Davor fürchte ich mich doch nicht. Camilla liegt in ihrem Sarg, das weiß
ich. Die Erinnerung an sie ist ungetrübt und dadurch, daß mein Mann und ich so
oft und intensiv an sie denken, haben wir manchmal das Gefühl, sie zu sehen,
wenn wir einen Spaziergang machen. Wir hören dann ihre Stimme, sehen sie im
Garten, wenn sie Blumen pflückt, wenn sie über die Felder geht. Das alles mag
ihnen merkwürdig Vorkommen, ich weiß. Aber ich denke mir folgendes: Ein Mensch,
den man nie aus seiner Erinnerung streicht, ist immer allgegenwärtig und kann
zu jedem Zeitpunkt überall sein. Und deshalb schreibe ich auch dem Spiritismus
seine Daseinsberechtigung nicht ab. Man kann die Seelen der Verstorbenen
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