1091 - Das Geschöpf
Bewegungen, und dann, als er sich eine Wand ausgesucht hatte und es aussah, als wollte er dort zur Ruhe kommen, stellte er sich auf die Hinterbeine, schnappte mit dem Maul zu, als wollte er an der Decke lecken.
Jetzt hatte auch Gloria den Schatten gesehen. Sie kannte ihn schon, trotzdem war sie durch das heftige Hin- und Herhuschen geschockt. Sie wollte weg, weil sie plötzlich wahnsinnige Angst hatte, aber es war zu spät.
Plötzlich löste sich der Schatten von der Wand. Wie eine normale Gestalt sprang er hinein in das Zimmer. Gefangen zu sein in zwei Dimensionen war ihm nicht mehr genug, aber er selbst war mathematisch kaum zu erfassen.
Als Schatten stand er plötzlich mitten im Raum. Er schwebte über dem Tisch, er zuckte, und im nächsten Augenblick erlebten beide Zeugenetwas, das ihr Begriffsvermögen überschritt.
Der Schatten veränderte sich.
Aus ihm wurde das echte Monster!
***
Es ging alles sehr schnell, und trotzdem kam es den beiden Zuschauern langsam vor. Der Schatten hatte noch einmal in seiner ursprünglichen Gestalt in der Luft stehend gezuckt und war dann wie ein normaler Gegenstand zu Boden gefallen.
Mit allen vier Gliedern prallte er auf.
War er bisher lautlos gewesen, so drang jetzt der Aufprall an Phil und Glorias Ohren. Denn im gleichen Augenblick verwandelte sich der Schatten in einen Körper.
Die Bestie war wieder da. Oder das Monster, das Geschöpf!
Beide Menschen waren nicht in der Lage, etwas zu tun. Gloria Esteban hockte im Sessel, Phil Hancock stand daneben. Sie wirkten wie ein Denkmal, das jemand in der Wohnung abgestellt hatte.
Ungläubig starrten sie das Ding an. Es war eine Mischung aus Panther und Mensch.
Der muskulöse und von einem dicken haarlosen Fell bedeckte Körper stellte eine Mischung aus Mensch und Puma dar: zwei Arme, zwei Beine, alles versehen mit Krallen, die nur aus drei langen und ebenfalls mit langen Nägeln bestückten Fingern bestanden. Die der Vorderarme oder die der Pfoten hatten sich in den dünnen Teppich gekrallt. Das Monster stand geduckt im Raum, und es hatte seinen Kopf nach vorn geschoben.
Aber welche ein Schädel!
Einen derartigen Kopf gab es in der Natur kein zweites Mal. Er war nicht rund, sondern eiförmig und breitete sich nach hinten hin aus, ohne dabei die Form zu verlieren.
Es wuchsen keine Haare auf dem Kopf. Auch sie hätten die Scheußlichkeit des Gesichts nicht vermindern können, das wegen der Kopfform wie zusammengedrückt wirkte. Eine sehr krumme Nase war vorhanden. Hinzu kamen die kalten, gelben Augen, und natürlich ein Mund, der keiner war, sondern ein Maul.
Ein kleines, aufgerissenes, aber widerliches Maul, in dem die Zähne sehr genau zu sehen waren. Die beiden Gebisse bauten sich hinter der dicken Lippe auf und folgten genau der Form des Mauls. An ihren Enden waren sie nicht stumpf oder abgerundet, sondern spitz wie die Zinken eines Zauns.
Das waren Zähne, die einen Menschen zerreißen konnten. So wie das Monstrum starrte, ließ es keinen Zweifel aufkommen, was es mit den beiden Menschen vorhatte.
Er knurrte nicht. Kein Atemstoß zischte aus dem Maul, aber die Augen sagten genug.
Phil Hancock kam wieder zu sich. Er spürte den harten Griff der Finger im Fleisch seines rechten Arms, und dieser Schmerz riß ihn zurück in die Wirklichkeit. Die sah für ihn schrecklich aus; denn der Körper des Monstrums zuckte kurz, dann stieß sich die Bestie schwungvoll ab. Der langgestreckte Körper flog auf Phil Hancock zu, der überhaupt nichts tun konnte und nicht einmal schrie.
Im Gegensatz zu Gloria Esteban…
***
Suko hatte es nicht sonderlich gefallen, sich von seinem Freund John Sinclair zu trennen. Er hatte auch nichts dagegen einzuwenden, daß sie getrennt marschierten und vereint zuschlugen, doch mit dem Schlagen war das so eine Sache. Oft kam es nicht dazu, da war der eine dann schon eher am Ball als der andere.
Er hatte seinen Freund im Sailor's Home verschwinden sehen und bewegte sich selbst auf die Hafenkneipe zu, aus der er die Musik des Schifferklaviers hörte.
Suko bezweifelte, daß ein anderer spielte außer Old Jugg. Mit ihm mußte er reden, denn wie auch John war er davon überzeugt, daß der alte Sailor mehr wußte.
Suko hatte nicht weit zu gehen. Das Licht über dem Eingang strahlte seinen warmen Schein in die Kälte, die noch immer von trägen Dunstwolken durchzogen wurde. Vom Wasser her schwappte ebenfalls leichter Nebel heran, und die schwere Luft roch auch irgendwie nach Schnee. Die entsprechenden
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