1093 - Blutkult um Angela
gespannte Stille ein, die fast mit der im Bunker zu vergleichen war.
Auch in der Umgebung war es recht still, und so brauchte Angela nicht einmal besonders laut zu sprechen, um von allen verstanden zu werden. »Ich freue mich, daß ihr mir alle gefolgt seid und wir hier draußen den Blutkult fortsetzen können. Überlassen wir den Bunker meinen Freunden, den People of Sin, denn diese Welt ist jetzt unsere. Hier können wir uns austoben, hier werden wir das Blut fließen lassen. Ich spüre, wie der Keim immer stärker bei mir durchbricht. Ein Mächtiger hat mich besucht. Einer, dessen Stärke kaum nachzuvollziehen und auch kaum zu beschreiben ist. Er ist so mächtig, daß er über eine ganze Welt regiert. Er hat sie mir gezeigt. Er ist der Herr in der Vampirwelt, die beinahe so aussieht wie unser Friedhof im Bunker…«
Sie sprach weiter, doch Harry hörte kaum hin, denn diese Worte konnten ihm nicht gefallen. Sie bewiesen ihm, daß sich Angela auf dem falschen Weg befand. Sie war wieder gekippt und rutschte hinab in die Welt des fürchterlichen Dracula II.
Er hatte sie zum Vampir gemacht. Sie, die Psychonautin, die sich jetzt nicht mehr an ihr Erbe erinnerte und dem Fluch des Bisses immer mehr verfiel.
»Blut«, sagte sie. »Hier geht es um Blut. Ich spüre den Drang immer stärker in mir. Ich weiß auch von der Botschaft, die mir geschickt wurde. Mein Dasein wird beendet sein, wie ich es nicht haben wollte. Der Zwitter ist vorbei. Ich mußte mich für eine Seite entscheiden, und ich habe mich entschieden.«
»Für welche?« rief jemand.
»Dafür!« Nach diesem Wort riß sie den Mund weit auf, so daß jeder ihre Zähne sehen konnte, die sich von den anderen abhoben. Noch schimmerte kein Tropfen Blut an den Spitzen, aber das würde sich schon in naher Zukunft ändern.
Harry konnte es nicht zulassen. Bewaffnet war er mit seiner Pistole, in der geweihte Silberkugeln steckten. Seit er John Sinclair näher kannte, hatte er sich dafür entschieden, ohne allerdings auf seine eigentliche Dienstwaffe zu verzichten.
Harry ging einen Schritt nach hinten, um mehr Bewegungsfreiheit zu bekommen. Die mußte er einfach haben, wenn er sich Angela nähern wollte. Er duckte sich auch und hatte so hinter den anderen Deckung.
Wenn sie ihren Plan durchzog, konnte sie damit eine Kettenreaktion auslösen, über deren Folgen er lieber nicht nachdenken wollte. Sie würde einfach zu schlimm für die Stadt London sein.
Auch kam er sich ziemlich allein vor. Er hätte gern John und Suko bei sich gehabt. Daß sie noch nicht erschienen waren, beunruhigte ihn. Auf der anderen Seite mußten sie sich mit den echten Vampiren beschäftigen und ihm den Rücken freihalten. Hoffentlich war es ihnen gelungen, die Brut zu vernichten, denn wenn plötzlich noch weitere fünf Blutsauger über die Menschen herfielen, verringerten sich die Chancen, das Unheil aufzuhalten.
Die anderen Typen kümmerten sich nicht um die Gestalt, die hinter ihren Rücken herschlich. Sie hatten nur Augen für Angela und starrten sie an, als wollten sie ihr jedes Wort von den Lippen ablesen.
Sie hatte auch weiterhin von der düsteren Vampirwelt geschwärmt, als wollte sie den Zuhörern diese Dimension besonders schmackhaft machen. Auch das war eine Möglichkeit. Dann würden plötzlich Menschen aus der normalen Welt herausgerissen und in diese düstere Dimension gebracht. Für Harry ein Alptraum.
Er blieb stehen.
Seine Sicht war jetzt besser geworden. Wenn Angela den Kopf etwas nach rechts drehte, würde sie ihn sehen können. Das tat sie nicht, sie war zu sehr mit ihren Freunden beschäftigt.
Und was machte Dagmar?
Harry sah sie zwar, nur war es zu dunkel, um an ihrem Gesicht ablesen zu können, wie sie sich verhielt. Es ging in der Masse einfach unter. Er hoffte, daß sie sich nicht von dem Vampirbazillus der Angela hatte anstecken lassen, nur weil auch sie zu den Psychonautinnen gehörte.
»Eure Zukunft liegt im Reich des großen Dracula II. In seiner Welt, und ich bin gekommen, um euch dorthin zu führen. Es ist meine Überraschung, die ich mir bis jetzt aufgespart habe. Wer möchte zuerst meinen Kuß empfangen?«
»Ich!«
Ein spontaner Ruf, doch es überraschte Harry Stahl nicht, daß Tiziana ihn ausgestoßen hatte. Bereits im Bunker war sie darauf erpicht gewesen, endlich in den Kreis der Untoten aufgenommen zu werden. Jetzt wollte sie sich die Chance nicht entgehen lassen.
Sie drängte nach vorn. Die anderen schufen ihr Platz. Auch der innere Kreis wurde
Weitere Kostenlose Bücher