1093 - Blutkult um Angela
gewaltig. Das Auge leuchtete immer stärker auf. Die Farbe vermischte sich mit Gelb und auch einem schwachen Türkis.
Der Strahl pulsierte noch im dritten Auge der Psychonautin, wie eingepackt in einem Gefängnis, das erst noch verlassen werden mußte.
Dagmar hörte das Brausen in ihrem Kopf. Unzählige Gedankenströme, die aus den Tiefen der Vergangenheit gestrahlt waren, pulsierten durch ihren Kopf. Es fiel ihr schwer, den Überblick zu behalten und sich auf Angela zu konzentrieren. Sie hatte aber das Gefühl, von allen Seiten mit Eindrücken bestürmt zu werden, die sie noch nicht einordnen konnte.
Der offene Mund des ehemaligen Vampirengels kam ihr größer vor als normal. Nur ihn sah sie und damit auch die gefährlichen Zähne. Sie bekam auch mit, daß die Lippen zitterten. Genau dieses Zittern übertrug sich auf den Körper.
Angela war nicht stark genug.
Sie röchelte. Sie schüttelte den Kopf. Sie bewegte ihre Finger, um sich an den Schultern der Frau festzukrallen. Es war ein verzweifelter Versuch. Möglicherweise ein allerletztes Aufbäumen, denn die Schwäche in ihr nahm zu.
Das Auge und dessen Kraft stießen sie zurück. Sie schien in sich zusammenzusinken, und plötzlich löste sich ein krächzender Schrei aus ihrem Mund.
Sofort danach ließ sie Dagmar los.
Haltlos taumelte sie zurück. Der Körper konnte nicht mehr aufrecht stehenbleiben. Während sie torkelnd ging, sackte sie zusammen und stieß schließlich gegen einige Zuschauer, die sie nicht festhielten, so daß Angela wieder nach vorn gedrückt wurde, wie von einer Gummiwand abgeprallt.
Es war eine Performance der Niederlage. Ein Zeichen dafür, daß auch der Kraft des Bösen Grenzen gesetzt worden waren.
Angela fiel auf die Knie. Sie stützte ihre Hände gegen die Oberschenkel. Nur mit großer Mühe hielt sie die Balance. Aber sie wollte trotzdem nicht aufgeben. Immer wieder versuchte sie sich aufzuraffen. Es waren klägliche, beinahe schon bedauernswerte Versuche, denn sie schaffte es nicht. Immer wieder rutschte sie zusammen, während Dagmar vor und zugleich auch über ihr stand und sie dabei beobachtete. Dabei leuchtete ihr drittes Auge noch immer, denn es hatte die Herrschaft in ihrem Gesicht übernommen.
Bei jeder Bewegung des Kopfes flogen die Haare des ehemaligen Vampirengels. Jetzt bewegten sich die Hände wieder. Sie stießen in die Höhe, zuckten zurück. Öffneten sich und ballten sich wieder zu Fäusten.
Alles wurde gesehen. Die Zuschauer griffen nicht ein. Sie waren entsetzt. Wie eine geisterhafte Armee umstanden sie die beiden so unterschiedlichen Personen. Mit jeder verstreichenden Sekunde schwanden ihre Hoffnungen stärker.
Angela schluchzte auf. Sie merkte, daß sie nicht mehr gewinnen konnte. Sie wußte auch, daß sie kein Zwitter mehr war, denn nichts von der anderen Person zeichnete sich bei ihr ab. Auch innerlich fühlte sie sich nicht mehr dem Volk der Psychonauten zugehörig. Sie war nicht mehr als ein Vampir, der Blut wollte. So hatte die Macht des Dracula II letztendlich doch noch gesiegt.
Allerdings nicht über die Schwäche seiner Dienerin. Gegen sie kämpfte Angela vergeblich an. In der letzten Minute war sie zu einem kraftlosen Bündel geworden oder zu einem Vampir, der sich der Lächerlichkeit preisgegeben hatte.
Dagmar Hansen wandte sich an die Zuschauer. Sie deutete dabei mit beiden Armen an, daß sie sprechen wollte, und sagte dann: »Ihr habt es gesehen. Ihr seid Zeuge dessen geworden, wie stark ein Blutsauger tatsächlich ist. Schaut sie euch an. Seht genau hin und dann denkt über eure Pläne nach. Habt ihr von ihr das neue Leben gewollt? Wirklich? Von einer dermaßen schwachen Person? Wenn ja, dann seid ihr Narren gewesen, einfach Idioten, die sich von den Bildern und der Geschichte eines Films haben beeinflussen lassen und dann dachten, dies in die Realität umsetzen zu können. Ja, es gibt so etwas, das stimmt. Da braucht ihr nur Angela anzuschauen. Sie wußte von euren Träumen und Vorstellungen. Sie und ihr großer Meister haben die Falle aufgebaut. Dabei muß ich ihr auch Abbitte leisten. Sie war nicht nur ein Vampir. Sie ist tatsächlich zu einem Zwitter geworden. Sie hatte sogar die Chance gehabt, mich leer zu saugen. Die hat sie nicht genutzt, weil die andere Seite in ihr stärker gewesen war. Manchmal hat sie ihr eigenes Blut geschleckt, wie ich und ihr gesehen habt. Ich wollte sie erlösen, denn sie gehörte irgendwie auch zu mir. Wir haben beide die gleiche Abstammung, und so habe ich
Weitere Kostenlose Bücher