1093 - Blutkult um Angela
wirst auch kein anderes Blut trinken. Hast du vergessen, wer du bist?«
»Nein, das habe ich nicht. Ich bin eine Braut des großen Dracula II. Ich spüre, wie mich sein Erbe immer stärker überfällt und in mir nachklingt. Erzähle mir nicht mehr von den Psychonauten. Ich hasse sie. Ich will sie nicht. Sie haben mir nichts gebracht. Doch«, korrigierte sie sich selbst. »Sie brachten uns zusammen. Es war ein Fehler.«
»Laß Tiziana los!«
»Nein, ich will Blut!«
»Das kannst du haben. Nimm meines. Los, ich stelle mich dir zur Verfügung.«
Angela lachte. »Hör auf mit deinem Bluff. Ich beginne mit Tiziana, und damit hat es sich. Wenn du nicht freiwillig verschwindest, lasse ich dich aus dem Weg räumen.«
Sie ging nicht.
Das wiederum verunsicherte Angela. »Hast du nicht gehört, du verdammte Hexe, du…« In ihrem Gesicht zuckte es. Plötzlich veränderte sich ihr Blick, und das hatte seinen Grund. Auch bei Dagmar Hansen hatte sich etwas verändert.
Es war das Phänomen auf der Stirnmitte!
Wer nicht genau Bescheid wußte, dem war es kaum aufgefallen, da es nur die Umrisse gab und sich auch noch keine Tiefe abzeichnete. Doch Angela war eine Insiderin. Sie wußte Bescheid, sie gehörte selbst dazu oder hatte sich zumindest dazu gezählt.
Plötzlich nicht mehr. Wie anders hätte man sonst ihr Verhalten einordnen können? Kaum hatte sie das Auge gesehen, da stieß sie Tiziana zur Seite, die mit einem derart heftigen Stoß nicht gerechnet hatte, stolperte und zu Boden fiel. Es war auch niemand da, der sie abfing. Die Blicke der Zuschauer galten nur den beiden Frauen, die plötzlich im Mittelpunkt standen.
Dagmar Hansen hatte keine Waffe gezogen. Sie verließ sich auf die andere Kraft, und Angela, die beseelt davon war, endlich an das Blut eines Menschen zu gelangen, gab ein Geräusch ab, das nichts Menschliches mehr an sich hatte. Es klang wie das Knurren eines Tieres, das aus irgendeiner tiefen Höhle gekrochen war.
Eine Eskalation war nicht zu vermeiden, das wußte auch Harry Stahl, und er sprach Dagmar an. Er rief ihren Namen, aber Dagmar schüttelte den Kopf. Sie wollte nicht abgelenkt werden.
»Laß mich, Harry, das ist meine Sache!«
Sie hatte ihn gemeint, doch Angela faßte die Worte als Angriffssignal auf.
Mit einem langen Schritt ging sie nach vorn. Ihr Schrei brandete in aller Ohren, und plötzlich packte sie mit beiden Händen zu. Wie schwere Gewichte legte sie die Finger auf Dagmars Schultern. Sie wollte die Frau noch dichter zu sich heranholen, um ihr die Zähne in den Hals zu schlagen, damit endlich das Blut sprudeln konnte.
Dagmar wehrte sich nicht. Sie blieb auf der Stelle stehen. Wie eine aus Gletschereis geschlagene Figur. Sie ließ sich auch nicht in die Knie drücken. Beide Frauen waren fast gleich groß. Dagmar vielleicht etwas größer. Sie mußte nur um eine Idee den Kopf senken, um Angela anschauen zu können.
Das tat sie.
Ihr Blick richtete sich nur auf Angelas Augen. Sie stand dabei unter einem gewaltigen Streß. Kein anderer, nur sie merkte, wie es anfing, in ihr zu arbeiten. Da rumorten die alten Kräfte. Die Erinnerungen an längst vergangene Zeiten wallten wieder in ihr hoch. Sie wurde zu dem, was ihrer eigentlichen Bestimmung entsprach, und genau das zeichnete sich immer stärker auf der Stirn ab.
Das dritte Auge!
Ein sagenhaftes, sehr altes Erbe der frühen Menschheit und Zivilisation. Damals waren die Welten noch nicht so extrem getrennt, da hatte der Mensch mehr im Einklang mit der Natur gelebt und auch die Dinge akzeptiert, die ihm von der Natur entgegengebracht wurden. Er hatte die anderen Mächte akzeptiert, die stärker und älter waren als er. Die auch mehr wußten, und es gab Menschen, die nun versuchten, sich damit zu arrangieren.
So die Psychonauten, die Träger des Wissens, das ihnen andere Besucher eingegeben hatten. Der größte Teil war verschüttet. Begraben in der langen Zeit, doch Reste waren ebenso geblieben wie das Erbe des dritten Auges.
Bei Dagmar Hansen zeichnete es sich ab, bei ihrer Gegnerin nicht, obwohl sie auch zu den Psychonauten gehörte. Aber Mallmanns Keim war stärker. Der Drang nach Menschenblut überflügelte alles andere, so daß ein anderes Dasein unterdrückt wurde.
Sie gab trotzdem nicht auf. Sie wollte Blut. Der Mund stand weit offen, und Angela versuchte, ihn näher an das Gesicht der Psychonautin heranzubringen.
Es gelang ihr nicht. Da baute sich eine unsichtbare Wand auf, gegen die sie nicht ankam. Der Widerstand war
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