1095 - Der Hexentrank
Verbindung zwischen Mannix, dem Museum und auch meiner Tante.«
»Da könntest du recht haben.«
Chris zuckte mit den Schultern. »Schade, daß ich dir nicht helfen kann. Ich weiß einfach zu wenig.«
»Vielleicht können wir das ändern«, sagte ich und lächelte ihr zu.
»Wie denn?«
»Indem wir uns das Museum bei passender Gelegenheit einmal anschauen. Oder ich allein.«
Sie schnaufte. »Meinst du wirklich, dort eine Spur zu finden?«
»Ich hoffe es.«
Sie nickte. »Okay, fahren wir hin.«
»Wobei ich noch überlege, ob ich dich nicht lieber hier im Haus lasse.«
Da hatte ich etwas Falsches gesagt. Plötzlich funkelte sie mich an.
»Soweit kommt es noch, John. Nein, nein, auf keinen Fall. Ich bleibe nicht allein hier. Ich werde mit dir gehen. Du hast mich nämlich auf einen Gedanken gebracht. Ich kann mir plötzlich auch vorstellen, daß meine Tante noch lebt. Frag mich nicht, warum ich meine Meinung geändert habe. Einen logischen Grund gibt es dafür nicht. Für mich ist ja nichts so, wie es einmal war. Mein Leben hat einen Knick bekommen. Leider keinen sehr positiven, aber ich will endlich die Wahrheit wissen. Kannst du das verstehen, John Sinclair?«
»Kann ich.«
»Und? Wie hast du dich entschieden?«
»Wir fahren gemeinsam«, erwiderte ich gottergeben…
***
Die Antwort war Mannix glatt über die Lippen gegangen. Er war an der gleichen Stelle stehengeblieben und traute sich nicht vor. Obwohl er hier auf dem Gelände alles kannte, fühlteer sich in diesen Augenblicken als Fremder. Die Welt hier hatte sich verändert. Die Schatten waren schärfer geworden, das Flackerlicht erschien ihm heller. Hier war etwas eingetreten, das nicht in die normalen Regeln hineinpaßte. Etwas Fremdes hatte Besitz ergriffen. Der beunruhigende Schatten eines mächtigen Wesens aus einer anderen Welt schien ein gewaltiges Dach gebaut zu haben.
Es schwang ihm ein Kichern entgegen. »Sehr gut, Söhnchen, sehr gut. Komm ruhig näher. Her zu mir…«
Mannix wußte, daß er gehorchen mußte. In diesem Reich herrschte Edina, und er war ihr gefügiger Diener. Das Buch hielt er krampfhaft fest. Es schien in der letzten Zeit doppelt so schwer geworden zu sein. Das Gewicht zerrte an seiner rechten Hand. So mußte er es fest an sich drücken, um es halten zu können.
George Mannix ging dem Geruch entgegen. Es war beileibe kein normaler Geruch. Er empfand ihn als widerlich, als regelrechten Gestank, der sich ätzend in diesem Haus ausgebreitet hatte und nicht abziehen konnte.
Die Decke war niedrig. Holzbalken, schwarz wie die Seele eines Sünders, bildeten in der Breite ein Muster. Es gab keine größeren Möbelstücke in der Nähe. Nur zwei alte Hocker und eine Bank ohne Rückenlehne standen an den Wänden.
Auf dem Fußboden lag keine Holzdecke. Er bestand aus festgestampftem Lehm. Nichts knarzte oder bewegte sich, als der Mann langsam seinem Ziel entgegenschritt.
Er sah das Feuer, er sah den Kessel – und er sah sie!
Es war Edina, die angebliche Tote, und sie hatte sich so gedreht, daß sie ihn anschauen konnte.
Ihr Mund bildete eine Öffnung, aus der die kehligen Laute hervordrangen. Es war kein Lachen, auch kein Keuchen, das Geräusch lag irgendwo dazwischen.
Edina war klein, und sie sah aus wie eine Hexe. Sie paßte als Person in die Märchen hinein, die den Kindern erzählt wurden, so daß sie oft Angst bekamen.
Edina war klein. Ob bucklig, war nicht genau zu erkennen, da sie eine grüne Kutte trug, die vom Hals bis zu den Füßen reichte. Das Haar wuchs sehr lang ihren Rücken hinab. Es war irgendwie farblos.
Zwischen grau und blond lagen die Strähnen. Und es umrahmte ein Gesicht, das nicht nur Kindern Angst einflößte, wenn sie es anschauten. Okay, es besaß einen menschlichen Ausdruck. Es gab eine Nase, einen Mund, eine sehr hohe Stirn, doch bei allem waren die Proportionen etwas verschoben. Da war die Stirn zu hoch, die Nase zu dick, die Wangen zu aufgebläht und zugleich an ihren unteren Enden faltig eingefallen.
Und es gab die Augen!
Eigentlich nur ein normales Auge. Das rechte, in dessen Pupille sich der Widerschein der Kerzenflamme gefangen hatte. Das andere Auge war nicht zu sehen. Der Betrachter wußte auch nicht, ob es vorhanden war oder nicht, denn über das normale Auge war eine dicke Haut gewachsen, die zudem noch vorgequollen war, als hätte sie von innen her entsprechenden Druck bekommen.
Als sie jetzt den Mund schloß und die Lippen aufeinanderlegte, erkannte Mannix, daß er schief im
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