1095 - Der Hexentrank
sich, wie er den Hexentrank zu sich genommen hatte. Noch jetzt steckte er in seinem Körper. Der Hexentrank war der Schleimbilder, und die Wirkung hatte sich im Laufe der Zeit sogar verstärkt.
»Ich weiß nicht, ob das gut ist!«
»Aber ich.« Das Auge der Hexe leuchtete. »Ich bin leider nicht ewig, auch wenn ich die Künste der schwarzen Magie zum Teil beherrsche. Ich brauche jemand, den ich anlernen kann. Du bist nicht der richtige Adept für mich. Außerdem bist du ein Mann, und ich erkenne nur einen Mann an, falls man ihn so nennen kann. Es ist der Teufel, der Götze aller Hexen. Doch in diesem Fall bin ich der Teufel. Deshalb werden wir sie herholen.«
George Mannix zuckte zusammen, weil sein Hosenbein beinahe durch die Flamme einer Kerze in Brand geraten wäre. »Dann müßte ich zu ihr fahren und sie holen…«
»Nein!« Edinas Arm schnitt durch die Luft wie die Klinge eines Schwerts.
»Das auf keinen Fall. Du wirst bleiben, aber du wirst mir trotzdem helfen. Wir werden sie morgen herlocken. Wir rufen sie an, und ich bin gespannt, was sie tun wird, wenn sie plötzlich die Stimme ihrer verstorbenen Tante hört.« Edina kicherte und rieb wieder ihre Hände. »Die Nacht liegt noch vor mir. Bis es so weit ist, kann ich alle Vorbereitungen treffen. Dann ist mein Trank fertig.« Wieder nahm sie das Buch und schlug es auf. Mannix war vergessen.
Er merkte es sehr bald und zog sich zurück in eine Stelle des Hauses, an der es am dunkelsten war.
Dort hockte er sich auf einem Faß nieder und spürte in seinem Körper die Hitze. Sie war wie ein fremdes Blut, daß in seinen Adern toste und Hitzewellen von den Füßen her bis in seinen Kopf hineinjagte. Edina war mächtig, aber jetzt würde sie noch mächtiger werden.
Er hörte sie.
Sie redete in einer Sprache, die er nicht verstand. Man konnte sie als Hexensprache bezeichnen. Vielleicht war sie auch vom Teufel erfunden worden. Jedenfalls gab sie ihr die nötige Kraft, und das Wissen besaß sie sowieso.
Edina ging um den Bottich herum. Sie selbst sah er nicht, sondern nur ihren Schatten, der sich über den Boden hinwegbewegte. Ein fließendes, graues Etwas, das auch jede ihrer Bewegungen wiedergab, denn immer wieder mußte sie ihren Gang unterbrechen und mit der freien Hand in die Töpfe und Schalen greifen, um dort die Zutaten herauszunehmen, die sie für die perfekte Mischung und Vollendung des Hexentranks benötigte. Das aufgeschlagene Buch in der anderen Hand gab ihr die nötigen Informationen.
Nachdem sie den Bottich sechsmal umrundet hatte, blieb sie stehen. Mannix saß nicht mehr auf seinem Faß. Er war aufgestanden und weiter nach vorn geschlichen.
Nicht mehr alle Kerzen brannten. Einige Flammen waren schon verloschen. Das Restlicht reichte zusammen mit der Glut aus, um alles erkennen zu lassen.
Er sah Edina im Profil.
Das Gesicht zuckte. Die Haut schien Farbe angenommen zu haben.
Sie schimmerte rötlich und bleich zugleich. Manchmal bewegten sich auch graue Schatten darüber hinweg, und wenn sie den Mund öffnete, schienen sie dort hineinzufließen.
Den Rührstab hatte sie mit beiden Händen gepackt und bewegte ihn kreisförmig durch die Masse. Dabei sprach sie leise vor sich hin.
Ihre Worte verloren sich im Rauch, der aus dem Bottich drang und sich als ätzende Nebelwolke verteilte.
Es waren abermals Beschwörungsformeln, die ihren Mund verließen. Worte und Begriffe, die das Rühren begleiteten.
Die Flüssigkeit war viel wärmer geworden. Der Trank schien schon leicht zu köcheln. Unter dem Bottich glühten Kohlen und Holz wie ein Erbe aus der Hölle.
Blasen stiegen an die Oberfläche der Masse und zerplatzten dort mit satten Geräuschen. Tropfen spritzten dabei empor und klatschten auch gegen das Gesicht der Frau. Ab und zu schnellte die Zunge aus ihrem Mund wie bei einer Schlange. Der Hexentrank war für Edina das größte, und das Kichern zeigte George Mannix an, daß sie mit ihrer Arbeit sehr zufrieden war.
Die Nacht war dunkel. Sie war auch still. Wie schwarze Pappe lag sie über dem Land. Die Kälte fuhr gegen Mannix’ Körper. Er hatte die Tür geöffnet und war geduckt auf der Schwelle stehengeblieben.
Nur undeutlich sah er die Umrisse der anderen Häuser.
Auf dem Gelände des Museums bewegte sich nichts. Das Gebiet lag in tiefer Stille, und nur hinter den Fenstern des kleinen Hauses hier bei ihm malte sich das unruhige rötliche Licht ab wie ein Gruß aus der Hölle.
Mannix bewegte seinen Mund.
Er spürte den Schleim, der
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