1096 - Baphomets Henker
hatte sie schon oft genug gegen Menschen eingesetzt und auch ihnen nicht den Hauch einer Chance gelassen. Wie diesem Hasen, den er nach einer kurzen gnadenlosen Jagd verspeist hatte.
Dabei hatte er die Klinge als Wurfgeschoß eingesetzt und zielsicher den Körper des Tieres erwischt.
Er reinigte die Klinge an einem Tuch. Das Licht der Kerzen wurde von ihr reflektiert, und sogar sein Gesicht zeichnete sich auf dem Messer ab. Ein sehr böses Gesicht, in dem kein Funken Gefühl stand.
Er lächelte. Dann leckte er ein letztes Mal über seine Lippen. Dabei wirkte er wie ein Mensch, der mit sich selbst und der Welt in völligem Einklang stand.
Es ging ihm wirklich gut. Die anderen Templer hatten ihm freie Hand gelassen, und so fühlte er sich wie eine Spinne, die in der Netzmitte steckte und von dort aus die Fäden gezogen hatte.
Die kleine Tochter steckte schon fest. Jetzt kam es darauf an, den Vater zu holen.
Bei seiner Gestalt und seinem Aussehen hörte es sich schon seltsam an, als er kicherte. Er hatte seinen Spaß, wenn er an die Zukunft dachte. Für ihn sah sie gut aus, für den Vater nicht. Der würde durchdrehen, der würde verzweifeln, der würde auch alles tun, um seine geliebte Tochter zurück zu bekommen.
Basil würde zu ihm kommen!
Darauf freute sich Kurak besonders, und sein Kichern erreichte eine noch andere Tonhöhe. Er hatte ihn bewußt im unklaren gelassen. Er und seine Familie sollten schmoren. Erst wenn Kurak es für richtig hielt, würde er wieder anrufen und seine Bedingungen stellen.
Amy saß in der Ecke gegenüber.
Sie hatte viel geweint. Nun nicht mehr. Sie lehnte mit dem Rücken an der Wand und hielt den Kopf leicht gesenkt und die Augen halb geschlossen. Angezogen war sie mit einer roten, gefütterten Winterjacke und dunkelblauen Jeans. Die Füße steckten in festen Winterschuhen mit dicker Sohle.
Er hatte ihr die Ringe einer Handschelle mit längerer Kette um die Beine gebunden. Sie konnte trotzdem gehen, allerdings nur mit kleinen Schritten.
Amy wagte nicht, ihren Entführer anzuschauen. Sie hatte Angst vor ihm, denn dieser Mensch sah so aus wie die schlimmen Riesen aus dem Märchen, die ihr früher vorgelesen worden waren. Da hatte sie immer Angst bekommen, aber die weiche Stimme der Mutter und das glückliche Ende der Geschichte hatten bei ihr für einen tiefen und gesunden Schlaf gesorgt. Die Bösen hatten nie gewonnen, und sie wünschte sich, daß es auch hier im richtigen Leben so sein würde.
Sie hatte nur gehört, wie er aß, aber sie hatte nicht hingeschaut. Es war schon schlimm gewesen, wie er mit dem toten und aufgespießten Hasen zu ihr gekommen war. Da hatte er gelacht und schon vorher geschmatzt. Sie hatte sich wieder an die Märchen mit den Riesen erinnert. Nicht wenige von ihnen waren auch Menschenfresser gewesen. Für Amy war dieser Mann im dunklen Mantel ein Riese, und sie fürchtete sich vor dem Allerschlimmsten.
Jetzt war er satt. Oder schien satt zu sein. Sie hatte ihn nicht mehr schmatzen und schlürfen gehört.
Die Reste seiner Mahlzeit hatte er einfach weggeworfen. Amy hatte den Aufprall gehört und den Blick wieder erhoben.
Sie bekam mit, wie Kurak das Messer ableckte. Sie wollte sofort wieder wegschauen, denn sie mochte auch die häßliche Zunge nicht, die aus dem Mund stach, aber Kurak hatte ihren verstohlenen Blick bemerkt. Er lachte wieder leise und ließ die Klinge sinken.
»Na, Amy, schaust du mich wieder an?«
Sie schüttelte den Kopf.
Kurak kicherte wieder. »Was ist denn? Ich habe nur gegessen. Du ißt doch auch - oder?«
Wieder das Kopfschütteln.
»Ach, hör auf. Ob ich das Fleisch gebraten esse oder so, das ist mir egal.«
»Ich will hier weg!« sagte sie plötzlich.
Kurak lachte. »Das kann ich mir denken, Kleine. Weißt du was? Du kannst auch von hier weg. Aber erst, wenn dein Vater hier ist. Wir werden einen Austausch machen. Du gehst, und ich werde mit deinem Vater hier im Haus bleiben.«
Trotz ihrer jungen Jahre hatte Amy begriffen, daß da einiges nicht stimmte. »Was wollen Sie denn von ihm?« fragte sie jammernd. »Er hat Ihnen nichts getan.«
»Hm, stimmt sogar«, gab Kurak lachend zu. »Im Prinzip hat er mir nichts getan, da hast du schon recht. Aber ich denke da ein wenig anders, meine Kleine. Er hat uns allen etwas getan, denn er hat uns verraten. Dein Vater ist ein Verräter, und das finde ich schlimm, wenn ich ehrlich sein soll. Er hat diejenigen verraten, die einmal seine Freunde gewesen sind. Gut, das ist lange her,
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