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11 - Die Helden des Westens

11 - Die Helden des Westens

Titel: 11 - Die Helden des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ihr dasselbe fertig?“
    „Auf sehr einfache Weise, nämlich mit einem Grashalm. Man faltet die Hände in der Weise zusammen, daß die Daumen nebeneinander zu liegen kommen, und klemmt zwischen die letzeren einen Grashalm so ein, daß er straff angespannt ist. Zwischen den beiden unteren Gliedern der Daumen befindet sich eine schmale Lücke, in welcher der Grashalm fibrieren kann. Dadurch wird eine Art Zungeninstrument gebildet. Bläst man nun mit einem kurzen ‚Frr-frr-frr‘ auf den Halm, indem man den Mund fest an die Daumen legt, so entsteht ein Zirpen, welches dem der Grille außerordentlich ähnlich ist. Eine längere Übung gehört freilich dazu.“
    Da sagte Winnetou:
    „Mein weißer Bruder mag diese Dinge später erklären. Jetzt haben wir keine Zeit dazu. Wir wollen beginnen.“
    „Gut! Nehmen wir vielleicht unsere Zeichen mit?“
    „Ja! Die Schoschonen sollen erfahren, wer bei ihnen gewesen ist.“
    Viele Westmänner und auch hervorragende Indianer bedienen sich nämlich eines Zeichens, an welchem man erkennen kann, um wen es sich handelt. Mancher Indianer schneidet sein Zeichen in das Ohr, in die Wange, in die Stirn oder Hand des von ihm Getöteten. Wer dann später die Leiche findet und das Zeichen kennt, der weiß, wer den Toten besiegt und skalpiert hat.
    Winnetou und Old Shatterhand schnitten sich einige kurze Zweige von dem nächsten Strauch und steckten sie in ihre Gürtel; sie konnten mit denselben die Zeichen herstellen, welche einem jeden Roten als die ihrigen bekannt waren.
    Sodann brachen sie auf, indem sie sich lang auf die Erde legten und sich nun vorwärts bewegten, dem erwähnten Zelt entgegen, welches in einer Entfernung von ungefähr achtzig Schritten vor ihnen lag.

SECHSTES KAPITEL
    Bei den Schoschonen
    Das Anschleichen eines Westmannes an seine Feinde ist keineswegs eine leichte Sache. Wenn keine bedeutende Gefahr vorhanden ist, und man nicht Ursache hat, keine Spur zurückzulassen, so kann man ja auf Händen und Knien vorwärts kriechen. Das gibt freilich eine sehr erkennbare Fährte, besonders im Gras. Ist man aber gezwungen, diese zu vermeiden, so geschieht die Fortbewegung nur mittels der Fingerspitzen und Zehen. Da man dabei die Arme und Beine lang ausstrecken muß, damit der Körper ganz nahe an den Erdboden, den er aber ja nicht berühren darf, gehalten werde, so ruht die ganze Last desselben eben nur auf den Finger- und Zehenspitzen. Dies auch nur für eine kurze Zeit auszuhalten, dazu gehört eine ungewöhnliche Körperkraft, Gewandtheit und langjährige Übung. Wie die Schwimmer von einem Schwimmkrampf sprechen, so reden die Westmänner von einem Anschleichekrampf, welcher gar nicht weniger gefährlich ist als der erstere.
    Er kann ja die Entdeckung und den sicheren Tod zur Folge haben.
    Während der Westmann sich auf diese Weise an den Feind schleicht, hat er das betreffende Terrain auf das genaueste zu berücksichtigen und darf keine Hand und keine Fußspitze eher auf den Boden setzen, als bis er die betreffende Stelle genau untersucht hat. Wenn zum Beispiel Hand oder Fuß auf einen kleinen, unbemerkten Zweig trifft, welcher dürr ist und knickt, so kann dieses leise Knicken die schlimmsten Folgen nach sich ziehen. Es gibt geübte Jäger, welche es demselben sofort anhören, ob es von einem Tier oder einem Menschen verursacht worden ist. Die Sinne des Westmannes werden gezwungenerweise mit der Zeit so außerordentlich scharf, daß er, an der Erde liegend, sogar das Geräusch vernimmt, welches ein laufender Käfer verursacht. Ob ein dürres Blatt freiwillig abgefallen oder von einem verborgenen Feind unachtsam abgestreift worden ist, das hört er ganz gewiß.
    Ein guter Anschleicher wird auch die Zehenspitze seiner Fußbekleidung ganz genau auf die Stelle setzen, welche er vorher mit den Fingerspitzen berührt hat, weil dadurch eine weniger sichtbare Spur entsteht, deren Verwischung sich leichter und bedeutend schneller bewerkstelligen läßt, als wenn sie aus zahlreichen und auch größeren Eindrücken besteht.
    Es ist nämlich sehr häufig notwendig, die Fährte zu verwischen. Der Westmann bedient sich des Ausdruckes ‚auslöschen‘. Hat man sich an ein Lager geschlichen, so beginnt bei der Rückkehr erst der anstrengendste und schwierigste Teil des Unternehmens. Niemand soll erfahren, daß man hier gewesen sei. Darum muß man, indem man sich auf allen vieren, und mit den Füßen voran, rückwärts bewegt, jeden Eindruck auslöschen, welchen man hervorgebracht hat.

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